Conny Plank – The Potential of Noise: Filmstart September/ Oktober 2017, Review

Nur zufällig habe ich mitbekommen, dass der Film gerade im Kino läuft. Mir war gar nicht klar, wieviele Platten ich habe, die von Conny Plank produziert wurden und dass er einer der Gründe ist, warum sie so eine besondere Atmosphäre, zukunftsweisende Soundästhetik sowie etwas zeitloses haben. Erstaunlich ist auch aus Perpektive einer Popmusik Forscherin, dass es kaum Literatur über ihn und sein Werk gibt. Keine Monographie oder Sammelband oder Schwerpunktthema in einem Fach-Journal; es gibt lediglich einige wenige Bücher, die auf ihn verweisen. Das hängt vielleicht damit zusammen, dass er viel zu früh gestorben ist, wenn nicht würde er warscheinlicher in den meisten Musikdokumentationen als Zeitzeuge und Produzent zu Wort kommen oder als Musiker, denn auch der Entwicklung seiner künstlerischen Arbeit als Musiker kam der Tod in die Quere. Heute ist dies in der Elektronischen Musik ohnehin ein und dasselbe. Kostproben finden sich auf Moebius & Plank „Rastakraut Pasta“ oder Moebius-Plank-Neumeier „Zero Set“.

Der Film hat sehr gemischte Gefühle bei mir hinterlassen. Zum einen eine Art von Scham darüber, dass er so wenig in der Musikgeschichtsschreibung vorkommt; und auch eine tiefere Erkenntnis über seinen Einfluss auf deutsche und internationale experimentelle Musik, und was dies ausmacht. Nämlich auch im Studio den Status Quo in Frage zu stellen, Regeln zu missachten sowie dass neue Klangformen und extreme Tonexperimente im Zusammenspiel zwischen Musiker*innen und Produzent*innen entstehen (können und sollten). Und dass die digitalen Innovationen auch analog mit Fantasie und Passion generiert werden konnten – das hat Conny Plank vorgelebt. Oder dass man auch mit einem „anderen Kapitalbegriff“ sich unabhängig in der Musikindustrie behaupten kann. Das klingt heute alles ganz selbstverständlich, war es damals aber keinesfalls.

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Andererseits gab es aber auch offene Fragen, die der Film nicht beantwortet. So habe ich mich gefragt, warum dieser Film erst so spät kommt, viel zu spät nach meiner Einschätzung. Wobei besser spät als nie auch hier zutrifft. Die Rolle des Sohnes nimmt viel zu viel Raum in dem Film ein, so mag eine solche Perspektive eine gute ergänzende Perpektive sein, jedoch als einziger Film oder zeithistorisches Dokument ist es viel zu geprägt davon. Wieso macht sich der Sohn erst 30 Jahre später auf die Suche nach dem Produzenten/ Mensch, der sein Vater war? Man sollte meinen in 30 Jahren gäbe es viele Möglichkeiten mit der Mutter oder Freunden darüber zu sprechen. Von den ganzen Archivmeterialien abgesehen, die dem Sohn zur Verfügung standen und an deren Verwaltung er ja auch aktiv beteiligt war, wie man bei weiterer Recherche erfährt. So wirkt der Film mit dem Sohn als Hauptnarrativ konstruiert und in der Machart glatt und einfallslos, im starken Gegensatz zum experimentellen Ansatz des Vaters.

Und die Zeit vor dem eigenen Studio ist sehr unzureichend dokumentiert und die Zeit nach seinem Tod gar nicht, obwohl das Studio von seiner Lebensgefährtin zunächst weiterbetrieben wurde. Überhaupt ist die Rolle von Christa Fast erschreckend unterrepräsentiert, ermöglichte sie doch Plank zu einem großen Teil seine Visionen auszuleben und umzusetzen. Warum sagt der Sohn nichts über seine Mutter? Hatte niemand jemals die Lebensgefährtin interviewt – weder zu Planks Lebzeiten noch nach seinem Tod? Dass ein so von Musikleidenschaft und Visionen getriebener Produzent, noch dazu erfolgreich, kein guter Vater war ist sicher wichtig zu erwähnen, aber reicht es um eine Dokumentation zu tragen? Meiner Ansicht nach nicht. Vielmehr hätte sich der Sohn hier mehr zurücknehmen sollen, wie es bei Produzenten doch eben der Fall ist – man nimmt Einfluss, aber dies eher für die Mehrheit unbemerkt, indem man das besondere Gesamtergebnis  im Fokus hat.

Als Zeitzeuge der besonderen Art hätte seine Geschichte hier doch eher seinen Platz gehabt. Das Wie und die Machart, Haltung, Heransgehensweise und Ausführung eines solchen Films sollte doch dem Thema angemessen sein und eine Relevanz ausmachen. Trotz seiner leitenden Funktion im Narrativ, bleibt die Person des Sohnes dennoch leblos. Was für ein Mensch ist das? Welche Beziehung hat er zu dieser Art von Musik oder dem Experimentieren, der politischen Einstellung seines Vaters? Welche Haltung hat der Sohn als Person? So bleibt er so glatt und ohne Tiefe wie die  Ikeamöbel und Schöner-Wohnen-Einrichtungen, die man zu oft zu sehen bekommt, wenn es um den Sohn Stephan geht. Befremdlich auch die gut sichtbare Marke eines Kopfhörer und Audio-Equipment Herstellers, die zu oft sehr groß im Bild erscheint. Handelt es sich um Product-Placement? Sicher nicht im Sinne des Vaters, obschon ein Film unbenommen eine kostpielige Sache ist, für die jedoch mannigfaltige FörderInnen und Institutionen bereitstehen würden – so sollte man jedenfalls meinen.

Dennoch bin ich sehr froh, dass ich den Film gesehen habe. Ein wichtiger Film, mit vielen – vermutlich bisher unveröffentlichten – Fotos und Filmaufnahmen.

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Hier einige Text-Schnipsel von der Website zum Film www.conny-plank.de:

Konrad „Conny“ Plank (1940–1987) war einer der innovativsten Klanggestalter und Musikproduzenten seiner Zeit. Die Aufnahmen, die ab den 60er Jahren in seinem sagenumwobenen Tonstudio in Wolperath nahe Köln entstanden sind, haben die Musikwelt revolutioniert. Er war der Pionier des Krautrocks und Wegbereiter der elektronisch geprägten Popmusik. Bands und Künstler wie NEU!, Brian Eno, David Bowie, Ultravox und die Eurythmics nahmen mit ihm auf und betonen noch heute den Einfluss, den er auf ihre Musik hatte.

Jens Balzer über Leben und Werk von Conny Plank

Kraftwerk und NEU!, Cluster und Deutsch-Amerikanische Freundschaft, Brian Eno und Ultravox: All diese Künstler und Bands hat Konrad „Conny“ Plank seit Ende der 60er-Jahre bis zu seinem frühen Tod 1987 produziert; in den Siebzigern und frühen Achtzigern war er der bedeutendste deutsche Produzent, ein stilprägender Techniker und Impresario, eine der zentralen Figuren der Krautrock-Bewegung, ein Popstar eigenen Rechts. Und dennoch hat es bislang keine Biografie oder gar Retrospektive von ihm gegeben, über sein Leben und Schaffen existieren nur lückenhafte, oft auch widersprüchliche Informationen.

Immerhin: Kurz nach seinem 25. Todestag erschien auf Herbert Grönemeyers Grönland-Label eine 4-CDBox mit dem Titel „Who‘s That Man?“ und einem hervorragenden Cover, das den Produzenten mit Prinz- Eisenherz-Topfschnitt und nadelscharf frisiertem Vollbart zeigt. Auf zwei von den vier Platten gibt es eine – nicht ganz repräsentative, sondern wohl auch der komplizierten Lizenzlage geschuldete – Auswahl von Conny-Plank-Produktionen zu hören: Man begegnet Krautrock-Gruppen wie NEU!, Ibliss und La Düsseldorf, New-Wave-Bands wie D.A.F. und den Eurythmics, aber auch obskurem Zeug aller Art wie Arno Steffen, Psychotik Tanks und Fritz Müller. Die dritte Platte enthält neuere Remixe von Plank-Produktionen; auf der vierten findet sich der Mitschnitt eines Konzerts, das er 1986 in Mexico City gegeben hat. (…)

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Das Trio Plank-Steffen-Möbius spielte hingegen eine Art Trance-Musik mit metallenen Rhythmen und allerlei psychedelischem Gezirp und Gezwitscher. Dank Unterstützung des Goethe-Instituts konnten sie damit 1986 sogar auf eine große Mexiko-Tournee gehen. Ein Mitschnitt ihres ersten Konzerts in Mexico City findet sich in der „Who’s That Man?“-Box auf der vierten CD. „An diesem Abend“, sagt Stephan Plank, „spuckte mein Vater zum ersten Mal Blut.“ Es dauerte kaum ein Jahr, bis ihn der Lungenkrebs hingerafft hatte.

Conny Plank starb am 18. Dezember 1987. Fast 20 Jahre lang hat Christa Fast das Studio dann noch weiterbetrieben, bis zu ihrem Tod im Jahr 2006. Danach wurde die Firma geschlossen und der alte Schweinestall abgerissen. Das selbst gebastelte Mischpult von Conny Plank steht heute in London bei dem Produzenten Mark Ralph, der unter anderem die letzte Platte von Hot Chip damit abgemischt hat. Auf dem ehemaligen Studiogelände in Neukirchen-Seelscheid wurde hingegen eine Siedlung aus ökologisch korrekten Niedrigenergiehäusern errichtet.

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