K.I.Z. – Hater aus Liebe?

Text: Bianca Ludewig 2007
Fotos: Sibylle Fendt, Chris Voy/ djcraft.de

Dies ist die ultra-rare erste unverfälschte Version der K.I.Z. Coverstory für die Backspin. Es war die erste Coverstory für K.I.Z. – wie auch für uns. Meine Idee dahinter war es, es ebenso wie K.I.Z. zu machen; so also der Vorschlag an meinen Redakteurskollegen. Da er sich wenig darunter vorstellen konnte, schlug ich vor anzufangen und er sollte die Geschichte dann weiter schreiben. Ich schrieb und schrieb wie in einem Rausch, vielleicht vergleichbar mit Hannah Arendts Euphorie als sie „Eichmann in Jerusalem“ schrieb. Was folgte war eine Welle der Empörung, sowohl von meinem Kollegen Alexander Kempf, wie auch innerhalb der Backspin Redaktion. Was sogar eine Art Verbundenheit mit K.i.Z. bei mir auslöste. Einzig der Chefredakteur der Backspin und Markus Staiger waren angetan. Allerdings im Widerspruch zu ihren beruflichen Verpflichtungen. So kam es zu einer komprisslösung die für uns Schreiber recht kompromitierend war, weder war ich mit der Endlösung glücklich, noch Alexander. Vor allem nicht K.I.Z., was ich nach all dem Drama am traurigsten fand. Aber sie sind eben noch sehr jung. Schlussendlich gelang es mir zumindest einige, nach dem Jugendgesetz entschärfte, Teile der ursprünglichen Version mit hinüber in die finale Version zu retten. Was uns zumindest garantierte, dass wir uns von den vielen anderen K.I.Z. Artikeln zu der Zeit unterschieden. Auch die entschärfte und mit Alexanders konservativem Ansatz vermischte Version polarisierte. In Hamburg gefiel es, in Berlin war man wütend. Nach wie vor gefällt mir das Original am besten und hier ist es nun. Zugegeben man braucht dafür etwas Humor, aber den braucht man ebenso für K.I.Z.

Sind K.I.Z. die Ultras unter den Hippies? Wir müssen K.I.Z vorläufig lieben oder hassen, sonst können wir keine Geschichte über sie schreiben. Unseren Hass haben wir in konservativen Einzelgesprächen ausgelebt und sie mit kritischen Fragen gequält oder sie zu persönlichen Aussagen genötigt. Um K.I.Z lieben zu können wollen wir mit ihnen ein paar Stunden Sex und Gewalt ausleben. Dazu suchen wir noch einmal die neuen Räumlichkeiten des Bunkers auf, aber bei Nacht. Staiger hat alles professionell vorbereitet. Im Foyer mit den Sofas ist alles in schummeriges Rotlicht getaucht, man hat die riesige OP-Lampe mit dunkelbunten Glühbirnen aufgerüstet. Alle von uns sehen dadurch gut aus – auch die, die gestern gefeiert und wenig geschlafen haben. Die Stripperinnen gehen im Raum verteilt ihrer Arbeit nach. Auf dem Fernseher laufen Pornofilme. Jeder sollte seinen liebsten Horror- und Pornofilm mitbringen. Auch selbstgedrehte Dinger waren gefragt. Besonders die Filmchen mit den unfreiwillig Gefilmten waren toll. Wo dann am Ende einer der Beteiligten richtig fertig gemacht wird. So mit psychologischer Gewalt und am Ende natürlich auch körperlich, so mit Chirugiebesteck. Aber auch die Sachen mit Minderjährigen kommen gut an. Oder mit bekennenden Rechtsextremisten. Es blieb aber geheim welcher Film von wem war, sofern er nicht selber drin vorkam. Nur Staiger weiß es.

  

„Das Leben ist ein Horrorfilm und wir sind das Produkt, ihr seid es auch“, sagt Silyan als Begrüßungsspruch. Tarek schaut lüstern und sagt: „Ich bin der Votzenflüsterer“. Wir erwidern konservativ: „Du bist nur ein Neger mit nem kleinen Schwanz, du fickst niemals HipHop-Deutschland“. Maxim ist erregt: „Letztendlich sind es doch gerade diejenigen die Gewalt ablehnen und das verurteilen, die es total toll finden sich den neuen Diss gegen Aggro Berlin anzuhören. Und genau die schauen sich die Videos von der letzten Schlägerei zehnmal an und holen sich einen runter, wenn Schutzgeld und Blutgeld gezahlt wird“. Er hat Recht, so sind wir. Wir sind ja auch nicht zum Spaß hier. Es gibt ein Handgemenge. Staiger mahnt zur Ruhe, denn wir wollen einen Hahnenkampf machen, der darüber entscheidet wer zuerst gefickt wird und wer ficken darf. Irgendwie muss man ja festlegen, wer wem zuerst einen Vertrauensvorschuss geben muss. Axt, Kettensäge, Messerset alles ist am Start. Aber nur um die Gockel zu zerlegen, damit wir später ihr Blut trinken und ihr Fleisch grillen können. Staiger fungiert als Schlichter und Schiedsrichter, er achtet auf die größtmögliche körperliche Unversehrtheit seiner Zöglinge, die demnächst noch viele Pressefotos machen müssen. Aber er achtet auch darauf, dass sie uns nix zumuten, was unsere Schreibfähigkeit einschränken könnte. Wer eine Auszeit braucht darf statt Tat auch mal Wahrheit wählen, dazu muss aber mindestens eine halbe Flasche Hartalk getrunken werden. Mir ist noch schlecht von gestern, weshalb ich immer Tat wähle.

  

Mein Hahn hat leider nicht verloren. Ich hasse Hühner – und Eier auch. Egal, ich hatte Bock auf eine Fekalnummer mit Maxim – so mit pissen, scheißen und Hühnerblut. Dafür gehen wir in einen Büroraum der zum Darkroom umfunktioniert wurde. Mit Maxim kann man währenddessen auch intelligente Gespräche führen, was ich beim Sex auch immer wichtig finde, so Orgasmustechnisch. Mein Standpunkt ist ja das Sex überbewertet wird, aber Maxim findet, dass in der völligen Ausreizung dieses Themas die wahre Subversion verborgen ist. Ficken und Boxen bis man Kotzen muss, das ist der Weg der postmodernen Unterwanderung. Wir sind laut Maxim schon so abgestumpft, dass direkte Kritik sinnlos geworden ist. Während so einer klassischen Anpissnummer kann Maxim gleichzeitig abwechselnd Hitler und Adorno zitieren, was mich schon anmacht und ich kann ihn nur mit BDM-Weisheiten und Chomsky Zitaten fronten. Als das ganze abzuflauen droht, kommt Tarek vorbei – der Mann hat Intuition. Er holt sich einen runter während er uns ein bisschen Bukowski vorliest. Das ist so schön, dass mir schlecht wird und endlich auch weitere Flüssigkeiten zum Rumspielen zur Verfügung stehen. Maxim sagt zum Schluss: „Unsere Art alles so psychosexuell zu sehen, ist auch eine Art mit unserem Alltag umzugehen. Worüber kann man noch lachen, wenn nicht über die ernsten Sachen? Man muss auch nicht die ganze Zeit über Politik reden, um politisch zu sein“. Die anderen Jungs haben sich derweil auch vergnügt. In der Küche sind weitere Hahnenkämpfe entschieden worden. Wer den Hahnenkampf verliert wird gefickt, der Gewinner darf dem besiegten Hahn die Kehle durchbeißen und sein Herz essen. Wir brauchen schließlich auch Blut und totes Fleisch um in Stimmung zu kommen.

   

Der Blut- und Sexrausch, so die unterschwellige Philosophie dieser Crew, bewahrt einen davor im Alltag ein Arschloch zu werden und seine Aggressionen an den Menschen die man liebt auszulassen. So wie das in den Legebatterien passiert. Ein Hahnenkampf ist würdevoller. Alexander hat 80%igen Schnaps aus Polen mitgebracht und ich muss viel davon trinken um diesen Neo-Hippiekram über mich ergehen zu lassen. Aber Medizin muss auch bitter schmecken, der Weg zum Weltfrieden wird ja immer unwegsamer und eben abgefuckter. Wir spielen weiter Rollenspiele, ich habe zwar verloren, aber Silyan ist eher masochistisch drauf. Ich bin deshalb jetzt vom US-Militär und im Irak, Silyan ist mein Gefangener, der Schnaps hat mich in Fahrt gebracht und ich habe viele Ideen wie ich es schaffe, ihn sexuell auszubeuten und zu erniedrigen. Silyan beteuert: „Ich bin ein sehr friedlicher Mensch im Alltag. Wenn wir unsere Musik machen, kann ich meine Aggressionen rauslassen. Und dadurch das Positive in meinem Leben wieder genießen. Ich will auch, dass Männer und Frauen endlich gleichberechtigt leben. Aber der Dienst an der Waffe, die Ausbildung zum Töten ist falsch, töten ist falsch“, der Hippie will wissen wie ich so tief sinken konnte.

Alexander muss derweil einen SS-Offizier spielen und er muss Tarek als das was er ist beschimpfen, als dummes Negerschwein, und ihn dabei vergewaltigen – das ganze spielt in Mittenwald, wo er seine Einzelteile später verscharren will. Da wo immer diese alljährliche Wir-holen-Deutschland-einen-runter-Feier ist. Alex malt sehr detailverliebt das erotische und geschichtsträchtige Szenario von Tareks Ende aus. Er vermischt geschickt verschiedene internationale Massaker, während er voll geil, symbolisch Zigaretten an Tareks Fußsohlen ausdrückt, ihm seine Fingernägel ausreißt und dabei erzählt was er vor ein paar Jahren mit den Mädchen aus den Sweatshops an der Grenze von Mexico gemacht hat. Er kündigt schon mal an, dass er das auch mit Tareks Mutter machen wird, nachdem er ihm den Schwanz abgeschnitten, gegrillt und gegessen hat. Tarek bekommt aber gerechterweise das letzte Wort und eine letzte Zigarette: „In unserer Musik gibt es ja noch viel mehr zu entdecken als Sex und Gewalt: Betrachtungen aus dem Leben, es ist eine Art mit dem bitteren Alltag umzugehen. Unsere Texte sind voller sozialkritischer Querverweise. Wir haben eben keine Lust auf diesen oberflächlichen Zeigefinger-Rap“. Tarek will endlich G8 spielen, er will den Typen von der Polizeigewerkschaft ficken! Aber das Ablenkungsmanöver gelingt ihm nicht – der Schwanz muss ab. Tarek hat auch das Logo der Gruppe gezeichnet, inspiriert durch existenzielles Graffiti auf Schulklos – deshalb ist es Alexander ein besonderes Vergnügen. Tarek brüllt noch: „Führ endlich den Mindestlohn ein“, ich füge hinzu: „du pädophiles Nazischwein“. Und bin beeindruckt von dem Schauspieltalent der beiden, aber gleich kommt der Pfiff vom Staiger und dann ist Rollentausch.

   

Nico und Maxim sind derweil freiwillig kreativ, sie haben Schwierigkeiten den Moment einfach passiv zu genießen. Sie spielen Partyafterhour bei Hamburger Politikern nach: mit Koks, Schampus, schwuler Liebe voller Schuldgefühle und allem was dazu gehört. Natürlich auch ihre Angst vorm schwarzen Mann, welcher sie gleichzeitig erotisch völlig überwältigt. Dafür holen sie Tarek hinzu. Daher rühren auch die Brechmittel-Einsätze und das Fesseln und Knebeln beim Rückflug nach Afrika, so Nico und Maxim. Sie meinen diese Hamburger würden das am liebsten persönlich machen, denn allein die Vorstellung geilt schon auf. So erklären sich die beiden den Übereifer, mit dem die Hamburger Politiker in diesem Bereich an die Arbeit gehen. In ihrer grenzenlosen Phantasie malen sich die hyperaktiven Berliner aus, dass sich die schwule Anzugfraktion davon Videoaufnahmen besorgt, um sich anzuheizen. Da sowas normalerweise ja aus moralischen Gründen nicht gefilmt werden darf, haben sie in der ganzen Stadt Überwachungs-Kameras aufstellen lassen, erklärt Maxim. Nico referiert gekonnt zum aktuellen Sicherheitskonzept der Hansestadt. Nächste Szene: Bei Viagra, Koks und Stuck läuft also das Video vom letzten in Polizeigegenwart verreckten Afrikaner in Hamburg. Die Politiker stellen auch Szenen aus den Videos nach und knobeln wer gleich Bulle und wer Neger sein darf. Tarek spielt zwischendurch gekonnt seine Statistenrolle: „In Deutschland gibt es auch Ghettos und es wird immer trauriger. Wenn du hierher kommst, und deinen Eltern noch Deutsch beibringen musst, wirst du wahrscheinlich nicht derjenige werden, der in Deutsch eine Eins bekommt“ – „oder später Jura studiert“, füge ich besserwisserisch hinzu. Nico und Maxim zeigen sich entzückt über die Opferhaltung ihres Sexobjektes. Politik ist sowieso ein besonders stimulierendes Thema beim Sex. Maxim findet: „Man kann die Welt nicht verändern, deshalb braucht man ein Ventil um den Druck rauszulassen“.

 

Maxim meint, dass bald der Nazi Rap kommt. Deshalb macht er sich lieber Sex-und-Gewalt-codiert über Sexismus oder Homophobie lustig, das sei schließlich auch ein Statement. Ich spiele mit Maxim jetzt Weltpolitik im Weißen Haus nach. Anfangs streiten wir uns darüber, wer die bessere Praktikantin abgibt und was Foucault tatsächlich mit „Sexualtät und Wahrheit“ vermitteln wollte. In wie weit sexuelle Dispositive und Macht tatsächlich miteinander Verknüpft sind. Maxim sagt ihn hat der erste Teil – „Der Wille zum Wissen“ am meisten beeindruckt. Vor allem der Teil über die Einpflanzung von Perversionen, deren Auswirkungen er auch im Weißen Haus erkennt. Ich erwähne, dass Foucault ja dachte AIDS wäre ein Gerücht um die Schwulen einzuschüchtern und zu diskreditieren, aber dass er deshalb auch an AIDS gestorben ist. Ich finde nämlich, dass der dritte Teil „Die Sorge um sich“ der beste Teil der Trilogie ist. Maxim ist so phantasievoll in seiner Beschreibung der Hierarchien und der sexuellen Vorlieben des Weißen Hauses, dass ich vollkommen in ein archaisches Männer- und Frauenbild zurückfalle. Er belehrt mich, dass das geilste Buch von Foucault immer noch „Psychologie und Geisteskrankheit“ ist und es käme ja nicht von ungefähr, „dass Gangsterrap hier jetzt so groß ist, das hat mit der Armut und der Ghettoisierung zu tun – und nix mit Amerika“. Er findet aber, dass die im Weißen Haus die besten Lebensläufe für Gangsterrap mitbringen, sie seien noch so verwurzelt in ihren elitären Gangtraditionen: „Klar theoretisch kann es jeder schaffen, aber wenn man sich anschaut wie viele es aus welcher Bevölkerungsgruppe schaffen, dann wird doch klar von welchen Faktoren das abhängt“, deshalb scheißt und pisst er auf den amerikanischen Traum.

  

Danach haben wir aber die Schnauze voll von Politik. Jetzt muss es mal ein bisschen prollig werden, deshalb krall ich mir Nico. Wir nehmen einen ordentlichen Schluck von dem 80%igen Klaren, ich mache Luftgitarre und versuche mich an Slayer-Karaoke, ramme ihm meine nichtvorhandene Gitarre in die Eier und sage er soll jetzt eine schwanzfixierte Groupie-Schlampe sein, er will aber Lemmy spielen. Das finde ich langweilig. Ich schlage Type O Negative vor, doch die kennt er nicht. Der Hahn muss entscheiden. Ich verliere und muss echt ekelige Sachen machen, mit den Hühnern die ich so abstoßend finde. Ich erspar euch die Details. Dann bin ich dran ihn zu ficken. Ich entscheide ein All-City King zu sein und er eine suizide Bitch, die auf Endgegner flasht. Maxim kommentiert aus dem Off unsere Bemühungen: „Die Leute sollen erkennen, wenn Ungerechtigkeiten passieren und keine Angst haben etwas dagegen zu tun“. Ja, wie wahr. Ich tagge Nico – also die Hure – von oben bis unten voll, und gebe ihm zu verstehen, dass Putin mich bezahlt und er, also sie, nicht das letzte plutoniumverseuchte Stück Scheiße auf diesem Planeten sein wird, was uns beide heiß macht. Dabei mache ich Fotos und Kurzfilme, mit denen ich später viel Geld verdienen werde. Nico fragt, ob ich es jetzt checke: „Wir haben musikalisch mehr zu bieten als nur mal einen Witz“. Ja, das ist deeper Shit und ich stelle tatsächlich fest, dass sich ein innerlicher Frieden bei mir eingestellt hat. Staiger kann uns nicht länger bemuttern, er muss weg, hat einen Termin: „Das hier ist eine WG, denkt auch an die anderen Leute. Wascht bitte ab und räumt euer Zeug weg.“ Die Zeit geht einfach zu schnell vorbei, wenn man sich amüsiert.

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