Synthesizer-Messe Superbooth, 3.-5. Mai 2018 @ Berlin FEZ Wuhlheide

„Ich wünsche mir, dass die KünstlerInnen, die mit unseren Geräten etwas machen, sich auch zu ihren politischen Identitäten zu Wort melden und das wieder gelebt wird. Sonst brauchen wir auch über den Anteil der aktiven Frauen nicht mehr nachzudenken.“

 

Zum 3. Mal findet in Berlin die Syntheziser Messe Superbooth in Berlin statt. Sie bietet Workshops, Konzerte, Bootsfahrt und natürlich jedemenge Gerätschaften zur Klangsynthese. Nachdem Synthesizer ab den 1980er Jahren endlich kleiner und erschwinglicher waren, wurden sie überschnell Teil der Vergangenheit, denn digitale Gerätschaften, allen voran Labtop mit Software schienen der fortschrittliche Weg in die Zukunft der elektronischen Musik. Seit einigen Jahren bzw. Jahrzehnten finden jedoch analoge Synthesizer und Modularsysteme wieder vermehrt LiebhaberInnen und AnwenderInnen. Zudem gibt es digitale Syntheziser, die wie analoge daherkommen oder auch Kombinationen. Dass es mittlerweile fast ebensoviele Tüftler, Hersteller und Entwickler gibt wie NutzerInnen, stellt die Aussteller-Crews und das Organisations-Team von Superbooth vor neue Herausforderungen, wie Andreas Schneider von SchneidersLaden GmbH im Interview erklärt.

SuperBooth TRAILER 2018 from HerrSchneider on Vimeo.

Bianca/ WiseUp: Was brachte dich zu Synths/ Modular, was hat dich daran gereizt und was hält den Reiz nach all den Jahren aufrecht?

Andreas/ Superbooth: Ich habe seit ich vierzehn Jahre alt war in Bands gespielt und war da meist der sogenannte Organist oder „Keyboarder“, der oft auch als einziger (neben dem Bassisten) genug Kabel hatte, die funktionieren, womöglich noch einen Führerschein und die Gabe, öfter ausreichend vorbereitet auf der Probe zu erscheinen als die Gitarristen oder Sänger unserer Zeit. Das machte mich auch nach einer späteren kaufmännischen Ausbildung zum prädestinierten Organisator von Konzerten und Übungsräumen und nach anschließender Konzentration auf das sogenannte Management wiederholt zum für die Band „untragbaren Musiker“, der nicht mehr ausreichend Zeit zum Üben hatte. Darauf bin ich dann hängengeblieben und schließlich im Marketing für das deutsche Musikfernsehen gelandet. Das hatte kaum noch was mit der ursprünglichen Passion für das gruppendynamische Musizieren zu tun, was ich dann aber in einer zufälligen Begegnung mit Machern von Synthesizern in Berlin neu wiederentdecken durfte und konnte.

Welche Rolle spielt die Lust am Experimentieren für einen Umgang mit Synths/ Modular?

Meine größte Begeisterung für die elektronischen Geräte dieser Zeit entstand ursprünglich aus der möglichen Unabhängigkeit von einer komplexen Band und der gleichzeitigen Möglichkeit alleine oder auch zusammen mit gleichgesinnten Anderen rhythmische Musik zu machen, die tanzbar sein kann und niemals wirklich langweilig wird, wenn man selber drinsteckt und sich ein wenig Mühe gibt. Daraus erwuchs eine Begeisterung für die vielfältige und individuelle Materie. Die Auseinandersetzung mit den Quellen hat mich immer tiefer in ihre unglaubliche Vielfältigkeit gesogen – mit der Entdeckung der modularen Verknüpfungen ist die Möglichkeit der Variation bei mir quasi explodiert und inzwischen habe ich das Gefühl, eine ganze Generation von Musikern ist mir da gefolgt, mit eingestiegen und hat selber nochmal Dynamit ins Feuer geworfen.

Was war eure / deine ursprüngliche Motivation für Superbooth? Es gibt ja viele Synthesizer Messen (Synthfest etc.), ist es eher als Treffpunkt für die Community gedacht oder eine Verkaufsmaßnahme? Oder brauchtest du eine neue Herausforderung?

Ursprünglich sollte es ein Podium werden, wo die kleinsten Innovationen von Einzeltätern und „Erfindern“ eine Bühne haben und sich nicht hinter den großen etablierten Marken verstecken müssen oder es sich nicht leisten können, sich zu zeigen. Schon auf den jahrelangen Ständen im Rahmen der Musikmesse haben wir immer auf engstem Raum kleinste Hersteller, die zum Teil auch nur einmal erschienen sind und dann wieder verschwanden, mit den großen Namen, die wir teilweise auch aus der Versenkung holen konnten, gemischt. Das war sehr wichtig!
Aktuell hat sich die Notwendigkeit etwas gedreht, da wir uns vor Ausstellern und Herstellern in der sogenannten Nische kaum mehr retten können und eher zu befürchten ist, dass es bald nicht mehr genug interessierte Anwender für all diese neuen Produkte gibt, wenn wir uns nicht (zusammen) etwas einfallen lassen. Darum ist es natürlich auch eine sehr wichtige Verkaufsmesse, die sich der – hoffentlich wieder aufkeimenden – gruppendynamischen Energie bedient. Ich erhoffe mir durch verschiedene Maßnahmen ein Interesse an der Materie, nicht nur aus der Ecke der Musik, sondern auch aus der Kunst. Und auch schulische Mathematik und gewisse physikalische Abläufe lassen sich hier mit viel Freude einfach vermitteln. Wir arbeiten an interdisziplinären Zugängen zur Naturwissenschaft über Musik. Das ist aber leider nicht so leicht zu vermitteln.

Wie war der Prozess? Ist es schwierig so etwas in Berlin aufzuziehen? Gab es Hürden?

Glücklicherweise ist es quasi modular entstanden und hatte schon vor der ersten Stunde viele Freunde. Was zu unserem Glück dazu kam sind meine langjährigen Kunden und anwendenden Partner, die mir auch in diesem Jahr in vielen Fällen wieder gern zur Seite stehen und den oft in dieser Sache unterbelichteten Entwicklern zeigen, was man mit ihren Produkten noch so alles machen kann. Gleichermaßen lernen die anwesenden Künstler und anderen Interessierten natürlich auch unendlich neue Horizonte von der technischeren Front der Ingenieure und anderen Löter kennen, die Bereiche tauschen sich intensiv aus, das ist auf einer reinen Verkaufsmesse in der Regel so nicht möglich.

Was hat es mit dem Namen auf sich und was hat sich im Laufe der vergangenen drei Jahre verändert?

SUPERBOOTH war eine Wortschöpfung des ersten kollektiven großen Messestandes auf der Musikmesse 2002, den ich noch als SchneidersBuero zusammen mit meinen Kollegen von MESI aus Paris organisiert hatte. Da konnten wir Bob Moog, Elektron, Vermona und diverse weitere derzeit sehr kleine Firmen zum ersten Mal auf der Musikmesse zusammen abbilden und wir hatten eine europäisch-gruppendynamische Idee. Auf dieser basierend habe ich mein Geschäft weiter auf- und ausgebaut. Mesi und manch andere konnten vor allem die Vision einer europäisch gemeinsamen Plattform nicht recht annehmen, jetzt ist Europa im Handel aber einfach überall unsere Realität und wir müssen damit umgehen. Auch um all die alten Hasen wieder ins Boot zu holen, haben wir den ursprünglichen Namen immer weiter als Titel benutzt.  In den ersten drei Jahren der jetzt existenten „Superbooth Berlin GmbH“ hat sich noch nicht viel verändert, wir hatten das Ziel diese Messe ökonomisch auf eigene Beine zu stellen, das haben wir noch nicht erreicht.

Wie grenzt ihr euch von Ableton Loop und ähnlichen Events ab, was macht euch anders, abgesehen davon, dass eben Synths/ Modular als Produkt im Mittelpunkt stehen?

Ableton Loop versucht das eigene Produkt plus ein wenig Zubehör zur Religion zu erheben, aber sonst hat daneben nur weniges eine Existenzberechtigung. Native oder Bitwig wird da explizit nicht eingeladen, soweit ich weiß. Zum Beispiel Roland wird auch sicher nicht auf dem Moogfest in Amerika eingeladen und Machines in Music wird veranstaltet von einem Händler in New York, da geht natürlich der aus Los Angeles gar nicht erst hin.

Ich arbeite an der juristischen Trennung von Shop, Vertrieb und Messe. Die SchneidersLaden GmbH unterstützt die Messe nun schon im dritten Jahr als Präsentator und wichtigster Sponsor, ohne das gäbe es sie wahrscheinlich in der aktuellen Bedeutung nicht. Dennoch  versuche ich mich dazwischen eher als Moderator, denn als Geschäftsführer. Ich muss aber natürlich auch darauf achten, dass es an allen Enden sinnvoll für die Partner und angemessen für die Kollegen und Mitbewerber läuft.

Woher kommt deines Erachtens diese neue Begeisterung für Synthesizer, vor allem analoge? Ist es wie mit Vinyl, dass man etwas Haptischeres neben dem Computerbildschirm und Mouseklick haben möchte?

Es ist nachvollziehbar und zum Teil auch fühlbar, was wir machen. Die Begeisterung steckt an und wir haben und kommunizieren sie nachvollziehbar seit fast 20 Jahren. Es geht um Strom, den man spüren kann, mit dem man auf unzähligen Ebenen experimentieren kann, es muss nicht teuer sein, wenngleich es das oft wird und es ist schon ab drei angewendeten Komponenten in den meisten Fällen sehr individuell und generiert Ergebnisse, mit denen man etwas anfangen und beliebig assoziieren kann.

Augenfällig ist, dass viele Männer nicht nur diese Art von Equipment sammeln, damit produzieren, sondern auch immer verstärkter selber entwickeln und bauen. Ist das ein Ersatz für die Heimwerkstatt oder Modeleisenbahn, ein männlicher Rückzugsort im Familienleben?

Es ist eher verwunderlich, dass die Männer hier in der Entwicklung (der Produkte) noch immer unter sich sind. Die zunehmend moderne Gesellschaft ist hier noch nicht weiter eingezogen.  Natürlich ist Musikmachen immer auch ein Rückzugsort und ich denke doch, dass es das für alle Geschlechter ist und auch sein sollte. Ich muss allerdings auch feststellen, dass ein sehr großer Anteil der Hersteller hier entweder gar keine Familie hat oder es eben in vielen Fällen ein kinderloser Familienbetrieb ist und bleibt. Die Passion für die Sache ist in vielen Fällen so groß, dass es zu mehr nicht kommt oder kam.

Bei der Anwendung von elektronischen Musikinstrumenten hat sich der Wind ein wenig gedreht und deutlich mehr nicht-männliche Kunden beleben die Bühnen und unsere Shops und Treffpunkte. Auf der Herstellerseite ist es im professionellen Bereich fast unverändert: relevante nicht-männliche Hersteller kann ich noch immer an einem Finger abzählen. Im DIY Bereich sind allerdings schon seit geraumer Zeit deutlich mehr Frauen sichtbar, die mitmachen und sich über die Arbeit mit dem Lötkolben an die Materie ranmachen.

Als Musikinstrument oder in der Musikproduktion werden Synths oder Modularsysteme ja auch von Frauen verwendet, diese bleiben jedoch nach wie vor größtenteils unsichtbar, woran könnte das liegen? Weil diese selten in Dokumentationen zum Thema auftauchen, sich an den Entwicklernetzwerken nicht beteiligen oder was denkst du?

Ich denke in meiner Generation um die fünfzig Jahre ist da das Rennen gelaufen, weil schon vor 30 Jahren in den meisten Bands die weiblichen Teilnehmerinnen nur das Gesangsmikrophon schmückten oder dazu rhythmisch eine Gitarre gespielt haben, die meiste Zeit habe auch ich das nicht weiter hinterfragt. Ich habe die Hoffnung, dass es auch über den breiteren Zugang zu technischem Gerät auf digitaler Basis mehr Interesse an der eigenen kreativen Produktivität in allen Geschlechtern und in allen Disziplinen gibt und dass dann auch entsprechend in unseren Bereich hinüberschwappt. Aktuell sind sicher viel mehr Frauen unter den Labtop-Anwendern zu finden als an Modularsystemen. Aber da verändert sich deutlich was. Langsam.

Ihr habt selber einige Maßnahmen ergriffen umso einen männlich dominierten Event auch für Frauen attraktiver zu machen. So gibt es jeden Tag einen Synthesizer Starter Workshop „for women and non-binary people“, was ich super finde. Wie kam es dazu und zu der Zusammenarbeit mit Alissa DeRubeis und 4MS?

Bei mir im Laden arbeiten auch in der Beratung zwei Frauen, das klingt zunächst nicht nach besonders viel, ist aber immerhin ein Anteil von 33% des beratenden Personals. Die erfahrenere Mitarbeiterin spielt auch selbst live und hat schon im letzten Jahr einen Workshop für Frauen gemacht, hat aber nicht darauf bestanden, dass die Männer diesem Workshop fernbleiben, was vollkommen ok ist. So kam es aber tatsächlich zu einer Beschwerde über eine besserwisserische Bemerkung von einem Mann in genau diesem Raum und ich habe diese Unterscheidung gesucht und mit Alissa eine Mitarbeiterin des amerikanischen Herstellers 4MS gefunden, die das auch gern betont wissen wollte. Zeitgleich findet ein zweiter Workshop für alle Anderen statt, den macht nach wie vor an mindestens einem der drei Tage, eben Jessica von SchneidersLaden, hier dürfen dann alle Geschlechter teilnehmen.

Aufgrund der Einrichtung dieser Workshops wurde uns übrigens von anderen Medien schon frauenfeindliches Verhalten unterstellt, weil der (männliche) Chefredakteur wohl angenommen hatte, wir würden hier qualitativ einen Unterschied in der Vermittlung der Inhalte machen.

Wichtiger noch als die Betonung der aktuellen Geschlechterdebatte finde ich persönlich die Einbeziehung der nächsten Generation: Wir veranstalten jetzt schon im dritten Jahr auch Workshops für Schulklassen, dieses Jahr zweimal mit einer ganzen sechsten Klasse aus einer gewöhnlichen Grundschule in Kreuzberg. Da sind natürlich auch alle Geschlechter, aber eben auch alle hier lebenden Nationalitäten präsent, die teilweise noch gar nicht mit elektronischer Musik „unserer“ Gangart, sondern eher mit ethnisch diversen anderen Visionen konfrontiert wurden. Die Klassen werden vormittags von neun bis mittags auf diverse einfache modulare Systeme eingearbeitet, um sich Klänge zu suchen, die sie spielen möchten, dann wird eine gruppendynamische Komposition erarbeitet, die um 13:30h vor Publikum präsentiert und aufgezeichnet wird.

Die Konzerte und Präsentationen bleiben aber männlich dominiert, woran liegt das? Daran, dass die Ständebetreiber ihr Equipment präsentieren und dies vor allem Männer sind?

Das hat sicher einen Einfluss, wir haben es hier häufig mit klassischem männlichen Potential zu tun, es geht um laut machen, übertrieben Fähigkeiten auf Tastaturen darstellen, das Neueste und das Beste haben wollen, eben das auch werbungsmotivierte Streben nach Superlativen. Sofern Frauen bei uns spielen wollten und unser Thema elektronischer Musikinstrumente bedienen, haben wir das zugegeben bevorzugt angenommen, aber so viel war da leider nicht los. Wir haben ja obendrein das Problem, dass wir kein Festival mit Gagen sind, die wir zahlen, sondern ein Happening zu dem die Konzerte überwiegend freundliche Beigaben oder durch die Aussteller selbst quasi fremd verantwortet sind. Unsere Hälfte der Events hatte im letzten Jahr einen Frauenanteil von jetzt mal geschätzt 20%, das fand ich schon ganz gut, wenngleich deutlich steigerungswürdig.

Was sind deine Wünsche für die Zukunft von Superbooth, wie soll sich das Ganze idealer Weise entwickeln, was möchtet ihr noch erreichen oder ausprobieren?

Ich wünsche mir, dass die Aussteller sich vermehrt in der Verantwortung finden, ihre Produktionswege und Orte erklären zu müssen. Ich würde mich freuen, wenn mehr Kunden aktiv hinterfragen, wo die elektronischen Geräte gefertigt worden sind.  Wir essen Bioäpfel aus Brandenburg, aber unsere Handies werden von Kindern in Fernost mit seltenen Erden aus Minen mit Kinderarbeit gefertigt, das passt nicht. Die Welt, auf die wir einen kleinen Einfluss haben, soll bitte anders laufen.

Und ich wünsche mir, dass die KünstlerInnen die mit unseren Geräten etwas machen, sich auch zu ihren politischen Identitäten zu Wort melden und das wieder thematisiert und gelebt wird. Sonst brauchen wir auch über den Anteil der aktiven Frauen nicht mehr lange nachzudenken. Wenn wir linker als die Mitte sind, dann sollten wir uns dazu bekennen und ich habe die Hoffnung, dass das bei uns noch immer die Mehrheit ist. Wir sollten uns um unsere demokratischen Grundwerte dringend mehr bemühen und das auch hier in dieser Szenerie und auf dieser Veranstaltung.

Infos, Programm & Timetable:

https://www.superbooth.com

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