Text Bianca Ludewig | Foto Timage.ch | Layout Georgee
Egal wie nationalistisch, sexistisch oder homophob es auch wird, die Rapper haben immer öfter Ironie als Argumente am Start. Ironie, eigentlich ein Kind des Humors oder auch ein gutes Hilfsmittel, um Bullshit zu enttarnen, verkommt im Hip-Hop zunehmend zur Allround-Ausrede. So ist die Ironie eine Kunst für sich und kommt nicht automatisch mit dem Rappen. Fraglos ist aber auch wirkliche Ironie zum Steckenpferd einiger Rapper geworden. Sektion Kuchikäschtli haben die Ironie unter dem Deckmäntelchen der Bündner Landeier in der Großstadt Zürich perfektioniert und sie in ein warmes und weiches Gewand aus Soul-Musik gekleidet. Claud’s Beats und Rennie’s Raps haben auf ihrem dritten Album „Affatanz“ erneut für höheres Niveau in Sachen Schweizer Rap gesorgt.
Ich empfinde das ganze Rap-Ding und unsere Gesellschaft zunehmend als Affentanz“, erklärt Rennie. „Medial hat sich viel verändert. Man tut auf groß, aber das ist es nicht. Heiße Luft wird produziert. Affen, die sich auf die Brust klopfen, Affen, die andere Affen nachäffen. Mich hat das noch nie interessiert, und ich habe bewusst versucht, mich am Rand zu halten. Dieses ganze Affentheater wird mit den Jahren immer irrelevanter für mich.“ Wer meint, dass alles außer Battle-Rap Blümli-Hippie-Hip-Hop ist, wird, so findet Rennie, durch ihn eines Besseren belehrt.
Ironie ist ein scharfes Schwert, aber es kann nur die erheitern oder treffen, die die Ironie auch verstehen. So kann man vielleicht von Glück sagen, dass der Schweizer Mundart-Rap hierzulande wenig verstanden oder gehört wird. Allerdings werden Claud’s Beats in Deutschland gehört und gekauft. Und selbst wer eine Soul-Allergie hat, wird ihre gekonnte Machart und Geschmeidigkeit honorieren müssen. Von ihm werden wir in Deutschland sicher noch einiges mitbekommen. Aber werden wir auch noch was von Rennie hören? Denn wenn ihr das hier lest, ist er schon in der Karibik.
Nein, durch die Goldene Schallplatte für „Nur so am Rand“ hat Rennie jetzt nicht so viel Geld, dass er aussteigen kann. Er liegt nicht mit Bling-Bling und zehn heißen Bräuten am Pool, im Hintergrund sein Fuhrpark. Und das würde er wohl auch langweilig finden. Er fährt noch weiter nach Afrika, um zu arbeiten, ohne Bezahlung. „Persönlicher Fortschritt“ lautet ein Stichwort zum Thema.
Und da Rennie schon länger weiß, dass er weg will, schwebt über ihren Releases immer das Damoklesschwert: „Viele finden es schade, dass es keine Tour mehr gibt, aber immerhin gibt es das Album. Und vielleicht irgendwann ein weiteres. Viele können das nicht verstehen, aber das liegt wohl daran, dass mich alle als Vollblutmusiker oder -Rapper sehen, aber das bin ich nicht. Ich hab schon immer gesagt, dass ich nicht einspurig fahre.“
Mit Letzterem spielt der 28-Jährige nicht nur auf sein gerade beendetes Geschichtsstudium an. Was Rennie damit genau meint, weiß nur der Wind. Aber er hält es immerhin für unrealistisch, nach zehn Jahren Texteschreiben damit aufzuhören. Schon halb in Afrika, scheint es in gewisser Weise widersprüchlich, wenn er über sich selbst sagt: „Ich bin eher der Typ, der Problemen aus dem Weg geht. Ich habe auch Schwierigkeiten damit, über Gefühle zu sprechen. Aber da bin ich wohl keine Ausnahme. Wenn man mal ehrlich ist, schauen oder hören doch die meisten immer weg, wenn es Probleme gibt.“
Rennie ist nicht verklemmt, aber viele Sachen sind ihm unangenehm. Und auch wenn Rennie versucht, verbal sein Positivstes zu geben, geschieht das nie ohne Ironie. Er steht einfach nicht gern im Mittelpunkt, aber deshalb wollte er nicht aufhören, Musik zu machen. Die Ironie hat ihm dabei geholfen, denn sie kann auch der Versuch eines Ausgleichs innerer Unsicherheiten sein, deren Rennie sich durchaus bewusst ist. Unser Anti-Held interessiert sich deshalb auch nicht für Fame, Autos oder andere Männlichkeitsklischees: „Ich finde es bedenklich, wenn man Kids mit diesen Puppe-Hengst-Rollenbildern abholen will. Gerade hier für Mitteleuropa ist das schräg, denn man findet sich ja angeblich so fortschrittlich und gleichberechtigt im Vergleich zum Islam … Tatsächlich sind diese Rollenbilder weit entfernt vom gesellschaftlichen Anspruch – diese Männlichkeit, die eigentlich nur den Typ mit dem zu kleinen Pimmel widerspiegelt.“
Wenn Rennie einen Track über die schönste Minderjährige der Stadt macht, so nimmt er dadurch selbstironisch Bezug auf sein fortgeschrittenes Alter, das ihm diesbezüglich zu schaffen macht. „Checksch dia Ironie?“ ist deshalb die SK-Hymne schlechthin, der Beat stammt vom DJ und Gründungsmitglied Jeff, der sich so auch ohne Scratches zu verewigen weiß. Das Tollste an Ironie: Die feinsinnig versteckte Kritik bringt einen zum Lachen. Das Gefährlichste an Ironie: Sie kann zu Sarkasmus werden. Und hier endet dann der Humor. Und auch diese Geschichte.