Mit der (Un-)Möglichkeit des Nein-Sagens in der Musik beschäftigt sich die Konferenz & Konzertreihe No!Music
Mit Pussy Riot, Matana Roberts, Pan Daijing, Bill Drummond, Nihilist Spasm Band feat. Alexander Hacke, Bill Drummond, Arrigo Barnabé, zeitkratzer, Zugezogen maskulin, Mary Ocher, Jolly Goods u.a.
Fast alle Menschen seien Sklav*innen, behauptete der französische Schriftsteller Nicolas de Chamfort: „Weil sie nicht nein sagen können.“ Es gibt zwei Arten, wie Musiker*innen nein sagen können: entweder durch musikalische Entscheidungen, Texte oder Karrierestrategien, die die Ablehnung zum Ausdruck bringen. Oder durch Schweigen, weil sie diesen Mitteln misstrauen. No! Music beschäftigt sich mit beiden Varianten. Ist unter den gegebenen Verhältnissen eine konsequente Verneinung überhaupt noch möglich?
Oder geht man schon faule Kompromisse ein durch die Nutzung digitaler Vertriebs- und Promotionkanäle, gängiger Soft- und Hardware oder wenn man sich auf die Bühnen der üblichen Clubs stellt? Ist also am Ende die einzige konsequente Haltung die des Titelhelden von Herman Melvilles Erzählung Bartleby der Schreiber, der zunächst nur Arbeitsaufträge ablehnt, es dann vorzieht, das Büro nicht mehr zu verlassen, und am Ende auch die Nahrungsaufnahme verweigert? (1741–1794)
Detlef Diederichsen und Martin Hossbach, Kuratoren
Das ganze Programm unter:
hkw.de/de/programm/projekte/2017/no_music
Der Samstag und Sonntag im Überblick:
15h, Eintritt frei
Film: Yangon Calling – Punk in Myanmar
R: Alexander Dluzak, Carsten Piefke, D 2013, 62 min (OmU)
16h , Eintritt frei
Panel: Punk als Prinzip
Mit Avi Pitchon, Peter Hein, Martina Schöne-Radunski (Cuntroaches) und Alvaro, The Chilean with the Singing Nose, Moderation: Conny Lösch
17.30h , Eintritt frei
Lecture: Why Bill Drummond Must Die (Tenzing Scott Brown and Me)
18.30h , Eintritt frei
Film: Imagine Waking Up Tomorrow and All Music Has Disappeared
R: Stefan Schwietert, D 2015, 83 min (OmU)
19.45h, Eintritt frei
Performance: Pan Daijing
ab 20h, Konzerte/ Performances
4’33’’-Gala (mit Zugezogen Maskulin, Mary Ocher, Jolly Goods u. a.), Toshimaru Nakamura
4’33’’-Gala mit Isolation Berlin, Jolly Goods, Lambert, Lucrecia Dalt & Regina de Miguel, Maulwerker, Wolfgang Müller, Perera Elsewhere, Claire Tolan, Mary Ocher, Zugezogen Maskulin, Moderation: Max Dax
22h: Toshimaru Nakamura, Konzert
Enthaltung als musikalisches Prinzip: Als Toshimaru Nakamura Ende der 1990er die Rockgitarre gegen das Mischpult eintauschte, wurde er tonangebend für die japanische Onkyo-Bewegung, die sich der freien, an Klang-Texturen und der Reduktion auf leise, minimale Gesten orientierten Improvisation verschreibt. Seither geht es ihm nicht mehr um die Kontrolle über, sondern die Interaktion mit dem Instrument. Sein No Input Mixing Desk ist ein Mischpult, dessen Ausgang direkt mit seinem Eingang verkabelt ist und das auf diese Weise nichts anderes als Rückkopplungsgeräusche erzeugt. Es summt und rauscht, raschelt, klopft und vibriert; ein reiner Feedback-Loop, den Nakamura mit sparsamen, sensiblen Eingriffen zu einer faszinierenden Szenerie aus silent noise modelliert.
So • Sun 12.11.
14.30h , Eintritt frei
Film: No Land’s Song
R: Ayat Najafi, D/F/IRN 2014, 90 min, (OmE)
16h, Eintritt frei
Lecture: Wael Koudaih: 4376
17h , Eintritt frei
Panel: DIY or Die: Is Bartleby Dead in the Post-Digital Age?
Keynote von Adam Harper, Gespräch mit Adam Harper, Daniela Seitz, Lucia Udvardyová und Mat Dryhurst, Moderation: Lisa Blanning
18.30h , Eintritt frei
Film: Jandek on Corwood
R: Chad Freidrichs, US 2003, 89 min (OV)
19.45h, Eintritt frei
Performance: Pan Daijing
20h Konzert: jandek
Der Archetyp des unabhängigen Außenseiters: Seit 1978 veröffentlicht
Jandek jährlich Alben mit lärmigen, dissonanten Folk- und Blues-Improvisationen
und poetischen Texten; ebenso verstörend wie eindringlich.
Mit seinem ersten Auftritt 2004 gab der Texaner plötzlich die Isolation
auf. Für No! Music spielt er eines seiner seltenen Konzerte.
21.30h Konzert:
NihIlIst SpasM Band feat. Alexander Hacke
Die „Godfathers of Noise“, inspiriert vom russischen Nihilismus ebenso
wie von Louisianas auf Gebrauchsgegenständen spielenden „Spasm“-Bands
des frühen Jazz, gründeten sich 1965 in London, Ontario. Mit
selbstgebastelten Instrumenten, Lust auf zerstörte Erwartungen und
experimentell gewonnene Einsichten gewannen sie Fans von Thurston
Moore bis R.E.M. und eine riesige Kult-Anhängerschaft in Japan.