Text Bianca Ludewig | Layout Georgee
Oakland liegt in Nord-Kalifornien, zwischen Berkeley und San Francisco. Mit 400 000 Einwohnern keine große Stadt, aber in einigen Punkten besonders. Durch eine große Einwanderungswelle afroamerikanischer Arbeiter in den fünfziger Jahren wurde Oakland zur Black City der Westküste. Das führte zu einem politisch sehr bewegten Klima. Hier machten die Black Panthers und die Antikriegsbewegung der sechziger Jahre politische Geschichte. Dann schrieben hier Tupac und Digital Underground ihre Rhymes. An dieses dynamisch geprägte Ambiente knüpfen seit über acht Jahren auch die Living Legends an. Viele ihrer Members sind bereits als Solokünstler auf verschiedensten Labeln auffällig geworden: Murs, Eligh & Grouch, Sunspot Jonz, Luckyiam PSC oder Bicasso. Auch die Melancholy Gypsies oder Mystik Journeymen gehören unter die Living-Legends-Flagge. Vor ein paar Monaten veröffentlichten sie ihr drittes Crew-Album „Classic“ – Anlass für ein Gespräch mit Bicasso.
Während Oakland für ein besseres Bildungssystem und gegen unerschwinglich gewordene Immobilienpreise ankämpfte, bezwangen die Legends ihren inneren Schweinehund. Denn mit acht gleichberechtigten Individuen Musik zu machen, ist nicht immer einfach. Vor allem nicht, wenn man unter einem Dach lebt. Hier nämlich, 1996, begann die Geschichte der Living Legends: in einem Warehouse. „In diesem Jahr zog ich zu einem Freund nach Oakland“, erzählt Bicasso. „Die Mystik Journeymen (Lucky & Sunspot) kamen gerade zurück aus Japan und suchten etwas zum Wohnen, so landeten sie bei uns im Warehouse. Zwischen 1996 und 1997 zogen dann alle Mitglieder der Living Legends nach und nach ein. Nur Scarab erst mal nicht, denn der studierte in San Jose.“
Wer die Mystik Journeymen besuchte, musste mit Musik machen. Die lebten schon von Gigs und vom Partys-Organisieren. Sie machten regelmäßig Shows unter dem Logo „Underground Survivors“. Irgendwann wurden die Locations zu klein, und sie expandierten mit einem größeren jährlichen Event, dem „Broke Ass Summer Jam“: „Das geschah in Opposition zum kommerziellen Summer-Jam-Event, den ein populärer Bay-Area-Radiosender veranstaltete“, berichtet Bicasso. „Das Ganze wurde immer beliebter und größer. Zugleich machten wir alle Musik mit den Mystik Journeymen.“ Bicasso kam eigentlich als DJ ins Spiel, doch, wie schließlich alle, landete auch er beim Rappen. Und einige auch beim Produzieren: „Das sind Eligh, Grouch, Sunspot und ich, Bicasso. Ich produziere aber eher nur für meine Solosachen. Auf dem ,Classic‘-Album haben auch weitere Producer wie Madlib, DJ Khalil und Kruse ihre Beats beigesteuert.“
Die Legends sind an ihren gemeinsamen Erfahrungen gewachsen. Musikalisch ist es der Crew gelungen, ihre je individuellen Vorlieben zugunsten eines Legendary-Sounds zurückzustellen und diesen dann über acht Jahre rund zu schleifen: „Am Anfang hatten wir die Freiheit, alles zu produzieren und zu rappen, was wir wollten. Aber jetzt haben wir eine Intention dahinter, die weiter reicht, als nur die Skillz des Einzelnen zu repräsentieren: einen soliden Sound, bei dem alle einen gewissen Rap-Standard bedienen. Wir mussten lernen, auch konstruktive Kritik zu ertragen. Und akzeptieren, dass dies auch bedeuten kann, den Rhyme noch mal neu zu schreiben“, verrät Bicasso. Damit das Ganze auch noch acht weitere Jahre auf demokratischer Basis hält, wohnen die Legends nun nicht mehr community-like zusammen. Dafür aber freuen sie sich, wenn wieder eine gemeinsame Tour oder ein gemeinsames Album ansteht. Dann sind sie auch darauf bedacht, es sich so richtig nett zu machen: „Deshalb haben wir das Album auf Maui aufgenommen. Einige von uns waren bereits verliebt in diesen Ort, und es war klar, dass so alle mit der richtigen Einstellung auftauchen. Das spürt man dann auch an der Energie von ,Classic‘“, schwärmt Bicasso.
Bicasso hat gerade ein Soloalbum releast, Eligh und die 3Melancholy Gypsies ebenfalls und Murs eine DVD. Zur Entspannung gehen die Legends auch gerne zusammen Snowboarden – wenn Bicasso nicht gerade den Pinsel schwingt (was er grundsätzlich auch bei den Konzerten macht), Grouch vom Keyboard wegkommt, Eligh mal keinen Beat produziert, Murs seine Independentlabel-Logistik vertagt und Scarub & Lucky Urlaub vom Familienleben machen können.
Nebenbei betreiben die Legends auch ihr eigenes Label Legendary Music. „Anfangs sollte es nur ein Statement für uns und die Industrie sein. Als Signal, dass wir selber Verantwortung übernehmen können und keinen Mittelsmann brauchen. Das gibt uns auch einen gewissen Stolz“, erklärt Bicasso. Kategorisch lehnen sie Labelverträge nicht ab, aber sie haben sich auch nie darum gekümmert, nie die obligatorischen Klinken geputzt. Beinahe hätte KRS One sie für Warner gewinnen können, aber daraus ist dann doch nichts geworden. Der Gedanke daran, im Untergrund zu arbeiten, lässt ihre Eisen auch weiterhin glühen: „Ich wünsche mir schon, dass wir in der Öffentlichkeit präsenter wären. Aber ich glaube nicht, dass es zwangsweise über ein Major geschehen muss. Das steht als Nächstes an. Wir bleiben unzufrieden, und das ist gut so. Zufrieden sein, das könnte den Anfang vom Ende bedeuten.“