Donaufestival – Redefining Arts, Krems 28.04.-06.05.2017

Mit neuem Kurator und dem wenig sagenden Motto „Du steckst mich an“, geht das Donaufestival in eine weitere Runde. Das Festival wurde 1988 gegründet und wird vom Land Niederösterreich getragen und finanziert. Das Donaufestival wurde seit 2005 unter der künstlerischen Leitung von Tomas Zierhofer-Kin umstrukturiert, so sollte eine neuartige Programmierung aus Avant-garde, Noise und Club Musik sowie Theater/ Performance Art, eine neue und jüngere Zielgruppe nach Krems bringen. An zwei Wochenenden im Frühling wird Krems an der Donau zu einer internationalen Plattform für neue Performance-Kunst und Musik. Tomas Zierhofer-Kin ist nun Intendant der Wiener Festwochen, die von Mitte Mai bis Mitte Juni ein erweitertes Donaufestival in Wien präsentieren.

https://www.donaufestival.at
Programmübersicht

„Der  Radiomacher, Autor und Kurator Thomas Edlinger wird das international renommierte Kremser Festival, das sich als spartenübergreifende Plattform für zeitgenössische Kunstformen, insbesondere in den Bereichen Performance an der Schnittstelle zur Bildenden Kunst, Multimediatheater, Medienkunst, Installationen, Film- und Videokunst und Musik in einem pop- und subkulturellen Kontext versteht, ab 2017 für zumindest 5 Jahre programmieren. (…) Thomas Edlinger wurde 1967 in Wien geboren und studierte Philosophie, Publizistik und Germanistik. Gemeinsam mit  Fritz Ostermayer ist er Gestalter und Moderator der FM4-Sendung „Im Sumpf“. Er gestaltet  Beiträge für  Ö1-Sendungen  wie „Diagonal“  und  arbeitet als  Kulturjournalist bzw.  als freier Autor für diverse Buchprojekte. Gemeinsam mit Matthias Dusini  veröffentlichte er 2012 den Essay „In Anführungszeichen. Glanz und Elend der Political Correctness“.  Sein neues, im September erscheinendes Buch heißt „Der wunde Punkt. Vom Unbehagen an der Kritik“.“

donaufestival 2017
Hier sein kuratorisches Statement zum Festival 2017:

Du steckst mich an, das kann viel heißen. Zum Beispiel: Du begeisterst mich. Oder auch: Du machst mich krank. Und nicht zuletzt: Du verstärkst mich durch elektrischen Strom. Welche emanzipatorischen Potentiale liegen in einer emotionalen Ansteckung für kommende Gemeinschaften? Welche Gefahren lauern umgekehrt im Mangel an kritischer Distanzierung und der Überidentifizierung mit dem Empfinden des Anderen?

Man hört es immer öfter: Wir brauchen Empathie statt Soziopathie, wir wollen offene Arme statt narzisstische Kälte. Der Appell erscheint wie eine Exitstrategie. Wenn progressive Politik verbaut erscheint, dann verspricht der Wille zur Einfühlung wenigstens die Moral eines Humanismus von unten.

Wie beginnt Empathie? Mit Parteinahme. Empathisch handeln bedeutet Miterleben. Das ist die gute Nachricht für die Mitmenschlichkeit: Die Mobilisierung von Empathie kann gesellschaftliche Spaltungen durchkreuzen und gemeinsames Handeln anstiften.

Und jetzt die schlechte: Auch Populisten in Kunst und Politik setzen auf Einfühlung. Ihre Version klingt so: Den Eliten ohne Herz mangelt es an Verständnis für die wahren Probleme der Menschen. Die von technischen Medien der Gefühlsindustrie etablierte Ich-Perspektive der Twitterkrieger und Facebookliker ersetzt die Mühen der empathischen Annäherung an das Du. Wut braucht Dezibel und Verstärkertürme, das brechende Glas dazu kommt aus der Sounddatenbank. Ein Close-Up auf Tränen schafft die Illusion das Salz darin zu schmecken. Die subjektive Kamera wackelt durch glamifizierte Videos, Virtual Reality-Animationen, Porno-Settings und Horrorfilme. Sie macht aus jedem Smartphonebesitzer einen Reporter.

Empathie ist eine Tätigkeit, die eine Bühne braucht. Daher steht sie immer schon – wie das Theater – unter Betrugsverdacht. Wie echt ist das Leid, aber auch: wie echt ist das Mitleid? Angesichts des Elends der Welt fühlen wir uns wohl in einer Helferposition, die mit Opfern sympathisiert, solange sie Opfer bleiben.

Und dennoch suchen und finden wir immer wieder empathische Momente. Auf den Bühnen, in den Tönen, in den Nächten.

Dort erfahren wir etwas Merkwürdiges: Vielleicht fühlen wir uns denen am nächsten, die ausdrücken, das sie nicht zu fassen sind. Stimmen werden uns fremd, Maschinen kommen uns nahe. Wir lieben Musik von einem anderen Stern, die zu uns spricht. Wir verehren Künstler, die nicht mehr sie selbst sind. Wir fliehen vor der Illusion der Realität und suchen die Realität der Illusion.

Lassen wir uns auf diesem donaufestival von dieser Bewegung anstecken. In diesem Sinn freue ich mich sehr auf die erste Ausgabe dieser in den letzten Jahren Maßstäbe setzenden Festivals und danke unserem wunderbaren Team inklusive der diesjährigen Performancekuratorin Bettina Kogler für die großartige Arbeit.

Lassen wir uns alle gemeinsam anstecken!
Thomas Edlinger

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