Der Kongress des Chaos Computer Club sollte gemeinhin bekannt sein. Beim 34. Kongress, der nach Hamburg/ Berlin/ Hamburg aus Platzgründen nun erstmalig in Leipzig stattfand, kamen 15.000 Besucher*innen. Der Kongress ist bei dieser Größe das entspannteste Event dieser Art, welches mir bekannt ist. Bis auf einige Technik-Sponsoren ist der Kongress selbstfinanziert und selbstverwaltet, was ihn neben den Inhalten, zu etwas Besonderen macht.
Um die Probleme der Gegenwart zu lösen brauchen wir fraglos technisches Know How, aber Computer Wissen alleine reicht nicht aus, daher steht auch die Vernetzung mit ganz unterschiedlichern Aktivist*innen und kulturellen/ künstlerischen Hackern auf der Agenda, wie auch 1Komona, unsere Assembly findet: „travellers and activists gather here to share methods on self-empowerment & collaboration, social hacking, communication guerilla, creative action, rave & situation. Its about the power of solidarity and collaboration beyond time and space to face upcoming challenges and overcome supression and the whole old force. We reckon this chaos competence centre as a shared space for knowledgedrafting and blueprinting, 1 homezone, physical and social structure and a growing network. Connect to create and expand a culture that’s capable of putting up a fight and gives its inhabitants a sense of purpose, selfworth, usefulness, care + chaosmagic.“
Der Verbund Reclaim Club Culture war erstmals beim 34. Chaos Communication Congress dabei, wir finden CCC sollte auch für Critical Club Culture stehen. Unter dem Dach der neuen Assembly 1Komona, welche für Kreative Aktion und Wissensaustausch steht sowie mit Club Kultur verbunden ist, hat Reclaim Club Culture am 27.12.2017 einen Dome zum Thema bespielt: „we are a bunch of clubcollectives and uncommercial Partymakers, mostly from Berlin and Brandenburg, but we just connected with ppl. from hamburg, bremen, nürnberg and leipzig. We would like to connect even more“. Reclaim Club Culture hatte sich beim Hedonisten Kongress 2016 gegründet und unser Kollektiv Meetup Berlin ist auch punktuell bei RCC aktiv. Wir – Lukas Fakegruber und Jukebox Utopia – wollten den Hedonismus und andere Selbstverständnisse im Rave kritisch beleuchten und mit Kongress Besucher*innen ins Gespräch kommen:
Kann Hedonismus überhaupt politisch sein? Handelt es sich nicht vielmehr um ein neoliberales Dilemma: Intensivierung der Freizeit als real existierende Freiheit? Eroberung von (Club-)Räumen als Gentrifizierung und Kapitalisierung? Warum sind Raves trotzdem interessant? Und sollte die Wissenschaft nicht eher die Klappe dazu halten? Ja, Nein, warum nicht? Welches (nicht-)philosophische, (nicht-)politische Denken produzieren Raves? Handelt es sich bei den vielbeschworenen Praktiken im und durch den Club tatsächlich um eine spezifische Club-Kultur? Oder ist Raven und Clubbing kaum mehr als eine Erweiterung von Networking-Aktivitäten im Einverständnis mit neoliberalen Idealen? Welche Erfahrung ermöglicht die Club-Kommunalität denn konkret, mit all ihrer Offenheit und Oberflächlichkeit im Zusammenspiel mit Musik? Können Sounds radikal sein? Gibt es das Audio-Soziale? Wie und wann? Was tun?
Wir haben als Dokumentation einen fanzine-artigen Reader mit Text-Schnipseln erstellt, Texte die wir inspirierend fanden.
Reader für die Session findet sich hier oder dort (ersteres hat die bessere Auflösung):
Reader: Radical Sounds and the Commune of the Dance Floor
http://menschmeier.berlin/soundradikalitaet_und_clubkommunalitaet.pdf
Wir haben den improvisierten Vortrag samt Diskussion aufgenommen. Ein Mitschnitt findet sich hier:
Lukas hat vor 9 Jahren das Shituationist Instiute mitbegegründet, wo er sich mit anhägigen Fragestllungen zu Rave auseinandersetzt: https://si-blog.net/
Natürlich gab es wie immer auch jede Menge Musik. Der Electric Cube war der Hauptfloor mit einem soliden Programm: Rodion Levin, Etkin, Jonas Wiese,
Planets Are On It, Syncboy, Karl Marx Stadt, Charlotte Bass My Ass oder Extrawelt haben dort gespielt neben vielen weiteren.
Aber auch am Unwetterbar Floor, wo Radio Reudnitz ein tolles Set aufgelegt haben, aber auch Desert Prophets waren dort oder die Plugwhizzards mit einem Live Set. Die vielen DJs und Artists taten mir leid, weil kaum Leute dort waren und der Floor explizit als Arbeitsraum ausgewiesen wurde, jedoch hat dort nach 22Uhr niemand mehr gearbeitet und die DJs waren meist unter sich, die Bühne verwaist. Das geht gar nicht und ist sinnlose Verschwendung von Ressourcen und Potential. Ähnlich verhält es sich mit der Chill-Zone beim CCL im Untergeschoß, wo ebenfalls DJs vor allem Soundtrackartiges hauptsächlich für sich selbst aufgelegt haben. Trotz der vielen Arbeit, die in die Dekoration und Verschönerung der gruseligen „Kantinenräume“ der Messe gesteckt worden ist – dort kann noch vieles zu verbessert werden, ist noch Luft nach oben. Möglicherweise sollte man doch lieber etwas eigenes im Außenraum aufbauen? Auch sind wie leider fast überall in den Musik-Lineups viel zu wenig Frauen* involviert. Diese sind auch, wie zu vermuten, unter den Hackern eher selten, aber einige haben sich auf den 34C3 organisiert, beispielsweise wie gewohnt die Haecksen (www.haecksen.org) und auch über die Aktivismus/ Kunst Schienen waren mehr Frauen als bisher präsent, so mein Eindruck.
Auch in der Main Assembly Hall gab es ein Soundsystem neben der Hauptbar, aber die Musik dort hat mich nur selten begeistert. Eine Club/ Bar Stimmung kam hier nur selten auf. Vermisst habe ich die „Autonomen“ Soundsystems, die es des Nachts im CCH noch vielerorts gab. Dafür gab es Sound-Installationen/ Sound Art und weitere künstlerische Projekte im neuen Art & Play Bereich. Toll waren auch die vielen Bier, Whiskey und Schnaps Tastings, der Cocktail Bot oder das Food Hacking, wo täglich unglaubliches gekocht wurde.
Neben dem Hauptprogramm war das Assembly Programm ähnlich umfangreich und ebenso interessant. Zuviel um es hier aufzuzählen, hervorheben möchte ich deshalb nur Lukas Workshop zu Digital Graffiti und die Veranstaltung zu Disobedient Art in Public Space: Kunst, Politik, Intervention mit Wermke/ Leinkauf, Rocco & seine Brüder, Dreesen & Rokita, beides im 1Komona . Das Programm der Assemblys wird nicht gestreamt oder aufgenommen. Man muss dabei sein oder am besten dem Motto des 34C3 folgen und selber etwas machen.
Wie immer wurde das Hauptprogramm des Kongresses gestreamt und videoarchiviert:
Hier ein subjektive Auswahl, für den Falle einer Überforderung durch das umfangreiche Angebot:
https://media.ccc.de/v/34c3-9292-eroffnung_tuwat
media.ccc.de/v/34c3-9031-mietshausersyndikat_den_immobilienmarkt_hacken
media.ccc.de/v/34c3-9119-ein_festival_der_demokratie
media.ccc.de/v/34c3-8896-tiger_drucker_und_ein_mahnmal
media.ccc.de/v/34c3-8969-die_sprache_der_uberwacher
media.ccc.de/v/34c3-9276-forensic_architecture
media.ccc.de/v/34c3-9275-afro_tech
media.ccc.de/v/34c3-9297-the_snowden_refugees_under_surveillance_in_hong_kong
media.ccc.de/v/34c3-9290-visceral_systems
media.ccc.de/v/34c3-9296-why_do_we_anthropomorphize_computers
media.ccc.de/v/34c3-9027-the_work_of_art_in_the_age_of_digital_assassination
media.ccc.de/v/34c3-9106-pointing_fingers_at_the_media
media.ccc.de/v/34c3-9055-science_is_broken
media.ccc.de/v/34c3-9262-jahresruckblick_des_ccc_2017
media.ccc.de/v/34c3-9293-abschluss
Das gesamte Archiv des 34c3 findet sich hier:
Es war toll dabei gewesen zu sein, beim 34c3. Ich hoffe sehr, dass viele neuen Ideen und Verbindungen entstanden sind und in naher Zukunft Früchte tragen werden.