Takeover Street Art & Skateboarding @ Wien Museum 5.7.-1.9.2019

Im  „alten“ Wien Museum am Wiener Karlsplatz wurde gestern mit der Vernissage die Ausstellung „Takeover“ über Skateboarding und Street Art eröffnet. Die Ausstellung ist eine Art Zwischennutzung bevor das Wien Museum umgebaut und vergrößert wird. Die Ausstellung zum „Roten Wien“ und Mitarbeiter*innen sind bereits umgesiedelt in die Felderstraße 6-8 im 1. Bezirk. Gestern war ein buntes und gemischtes Publikum bei der Eröffnung, eines das eher ungewöhnlich für das Wien Museum ist. Auch ist zu vermuten, dass es selten bei einer Eröffnung des Museums so voll war. Über den halben Karlsplatz verstreut saßen die Besucher*innen, denn eine in Augenscheinnahme der Innenräume war schnell getan, sodenn man nicht in der Skatearea skaten oder zuschauen wollte. Auch war es drinnen gut gefüllt bis zum Schluß.

Da ich lange in Berlin gelebt habe und von dort über Graffiti berichtet habe (beispielsweise Backjumps, City of Names, Jazzstyle Corner) und selber in Hamburg Ausstellungen/ Festivals zum Thema kuratiert habe ist das hier gebotene enttäuschend. Graffiti (und zu einem geringern Grad auch Skateboarding) im Innenraum ist immer problematisch und eine Herausforderung, denn hier kommt zusammen, was nicht zusammen gehört. Trotzdem gibt es Best Practice Beispiele, Lösungen die weniger problematisch sind als andere. Dies ist hier nicht gegeben, außer, dass direkt auf die Wand gemalt werden konnte. Zwei Werke wurden an der Außenfassade angebracht.

Pressefoto Wien Museum

 

Pressefoto Wien Museum

Aber dennoch ist es etwas Besonderes, da Graffiti oder Skateboarding (meines Wissens nach) bisher noch nicht im Wien Museum als Stadtkultur oder Volkskunst ausgestellt und dadurch anerkannt oder gewertschätzt wurden. Auch bewegen sich in diesen Szenen selbstredend sehr ausgeprägte Charaktere und es ist mit Sicherheit nicht einfach alle Akteur*innen unter einen Hut zu bekommen und die gewohnten institutionellen Hürden ihren Bedürfnissen entsprechend zu überwinden. Das Wien Museum und weitere Museen, die eine solche Augabe meistern wollen, noch einiges zu lernen haben zeigt diese Ausstellung. Aber sie ist ein Anfang.

Weitaus anspruchsvoller und geglückter gestaltet als der „Street Art“ Teil, war die Skateboarding Area. Dies mag auch damit zu tun haben, dass hier weniger Akteur*innen involviert waren oder sich einige Personen stellvertretend ein Konzept überlegt hatten bzw. scheinbar schon das Foto-Buch „Freizeit Baustelle“ realisiert hatten und dieses in den Ausstellungsraum übertragen.

Auch die für beiden Szenen essentielle Videodokumentation hatten die Skater berücksichtigt, der Graffiti Bereich nicht. Leider auch im Skate Bereich ein wildes durcheinander von Wandbildern, zwar wie auch auf der Straße, wo ja auch niemand kuratiert, jedoch ist eine solche Ausstellung eine Gelegenheit sich mit den verschiedenen Akteur*innen abzusprechen und gemeinsam etwas konzeptionelles zu entwickeln, wie es bei legalen Wänden oder Ausstellungen auch manches Mal passiert. Hier leider nicht. Allerdings gab es wohl Probleme mit der Lüftung und die Bemalung des Skate Parks konnte wohl nicht so wie angedacht umgesetzt werden.

Pressefoto Wien Museum

 

Pressefoto Wien Museum

 

Hier der Text des Wien Museums zur Ausstellung:

„Die für den Um- und Ausbau leer geräumten Bereiche bieten einmalige Möglichkeiten zur Interaktion. Mehr als 2000m2 werden zur Spielfläche für Street Art und Skateboarding – zwei Subkulturen, die sich auf ungenutzten Flächen entfalten und unser Verständnis für die Mitgestaltung des öffentlichen Raums herausfordern.

Vandalismus oder Kunst? Street Art und Skateboarding polarisieren immer noch. Wurden sie in den 1990ern und 2000ern hauptsächlich als aufdringlich und störend wahrgenommen, so sind sie mittlerweile ein Phänomen der Popkultur. Sie vermitteln urbanen Flair und sind ein wichtiger Faktor für Tourismus und Wirtschaft.

Wir laden namhafte ProtagonistInnen und BesucherInnen dazu ein, das Gebäude zu transformieren und bieten die Gelegenheit, das breite Spektrum beider Szenen zu entdecken. Dabei teilt sich das Museum in zwei Bereiche: im Erdgeschoß steht Do-it-yourself (DIY), im Vordergrund, während der erste Stock zum Schauen und Staunen in die „Hall of Fame“ einlädt. Der Fokus liegt auf Wien. Mehr als 30 Graffiti- und Street Art-KünstlerInnen, die das Stadtbild in den letzten 25 Jahren mitgeprägt haben, übernehmen die Museumswände. Alte Ausstellungsarchitektur wird mit Beton in einen Skatepark verwandelt. Es gibt viel zu entdecken und zu tun – von Skatekursen, bis zu Workshops zu verschiedenen Street-Art-Techniken. Please, join us!“

Artists:
Abend, Paul Busk, Cane, Chinagirl Tile, Deadbeat Hero, die 78er, Frido Fiebinger, Flör, Christian Fischer, Frau Isa, Emanuel Jesse, Friend, Golif, Wolfgang Hartl, Herbalizer, Olivier Hölzl, Junek, Leopold Kessler, KLITCLIQUE, Knarf, Kollektiv Kimäre, Kryot, MALR, Keno Meiners, Thomas Mock, moiz, Monsterzeit, Lym Moreno, NDZW, Nychos, Peks, Perk_up, Phekt, Jamy Preiml, Ripoff Crew, Ruin, Jan Schiefermair, Maximilian Schneller, Philipp Schuster, Gitti Scholz, Seco, Secret Society of Super Villain Artists (SSOSVA), Shue, Skero, Skirl, Speaker-23, Spraycity, Spoff Parks, Tabby, Video Oner, Vienna Murals u.a.

Rahmenprogramm

Auch die erste Veranstaltung des Rahmenprogramms, eine Diskussion über die Faszination der (illigalen) Straßenkunst „Mythos Graffiti“, zeigte, dass Graffiti als Subkultur oder Volkskunst hier noch nicht ausgeprägt vorhanden ist.  Am 5.7.2019 gab es einen Talk zum „Mythos Graffiti“, der eruieren sollte woher die Faszination komme?

Der Kunsthistoriker Stefan Wogrin gab einen Einblick in seine laufende Graffiti-Dokumentation. Graffitiwriter und Rapper Skero erzählte über seine Anfänge, die Street Art Künstlerin Video.Oner sollte über die Wahl der Orte berichten und Andy Dice Davis (Secret Society of Super Villain Artists, Cheltenham Paints) war (skuriler weise) eingeladen, um die internationale Perspektive zu repräsentieren. Die Moderation hatte Phekt (FM4). Letzteres war ein Problem, da der Moderator die meiste Redezeit beanspruchte. Ich kenne das Problem selber, aber wenn man selber involviert ist, ist Moderation schwierig. Video.Oner hatte als einzige eingeladene Frau von den knapp zwei Stunden lediglich um die 5min Redezeit. Phekt gab ihr dann auch noch den Hinweis mit, man hätte nun nicht mehr soviel Zeit, sodenn doch alle Männer fleißig weiter berichteten.

„Mythos Graffiti“, Panel im Wien Museum

Völlig unklar war, wer hier eigentlich angesprochen werde sollte? Es waren auch kaum Akteur*innen zu gegen und schien einen Art Einführung für komplett Außenstehende zu sein, so war dann auch für Menschen mit Hintergrundwissen nichts neues dabei, außer einigen Details zur Wiener Geschichte. Problematisch war dennoch einiges was gesagt wurde, gerade wenn dies eine Erstvermittlung sein sollte. Diesen vermittelnden Anspruch finde ich schwierig. Wenn ich auf eine Kunstausstellung gehe, sprechen dort auch Expert*innen über ihre Spezialgebiete und es wird nicht bei Null in der Kunstgeschichte angefangen. Man kommt ja gerade wegen dieser speziellen Kunst mit der auch ein spezielles Wissen einhergeht. Da hört man zu und lernt etwas, auch wenn man nicht alles versteht. Die Werke und Diskurse in den Kunsträumen und Kunstmuseen sind fast ausschließlich viel weiter entfernt von Alltag und Mainstream als Skateboarding und Graffiti. Warum muss hier alles erklärt und gerechtfertigt werden?

Skeros Arbeit im Wien Museum

Man findet auch in Wien tolle beschriebene Wände bei der Donau und am Donaukanal, auch Züge und Wände in der Nähe der Gleise werden gut frequentiert, aber man kann davon ausgehen, dass vieles davon durch den Besuch von Graffiti-Autoren aus anderen Ländern entsteht. So entstand auch das erste Graffiti an einem Zug in Wien in den 1990er Jahren durch Autoren aus Deutschland, wie die Diskussion zeigte. Der Oldschool-Rapper und Graffiti-Autor Skero erzählte, dass er damals einer der ersten und einer der wenigen war, die ins Ausland reisten, um sich über Graffiti zu informieren und dieses Wissen nach Österreich zurückbrachten. Eine Vermutung ist, dass die Wiener Graffiti-Szene das internationale Netzwerk, das seit Graffiti in den späten 1980er Jahren über die Grenzen von New York hinaus Verbreitung fand, besteht, wenig nutzte. Vielleicht liegt es an der Komfortzone Wien oder an den gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen in Österreich und Wien, dass Wien in den 1980er Jahren bis Mitte der 1990er Jahre grau und trist war und es keine Informationen über Dinge gab, die bereits in anderen europäischen Städten von Interesse waren (wie Graffiti oder Techno). Dies berichteten zumindest viele Wiener*innen Ü40 in Gesprächen. Weitere Filmvorführungen oder Diskussionen werden in den nächsten Wochen stattfinden und könnten mehr Licht auf Vergangenheit und Gegenwart von Skateboarding und Streetart in Wien werfen.

Video.Oners Arbeit im Wien Museum

Viel spannender für alle, auch was die Faszination betrifft, sind Akteur*innen, die über ihre Werke und Erlebnisse sprechen, anhand dessen worum es geht und dafür gibt es ein unendliches Archiv von Fotos und Videos, weil Graffiti & Co eben sehr kurzlebig und vergänglich sind. Völlig deplaziert war Andy Davis, um über eine internationale Perspektive zu sprechen. Von dieser scheint er kaum etwas zu wissen und zeigte vor allem Fotos von T-Shirts, Tatoos und Aufklebern ihres Logos und ein wenig rudimentärer Streetart, die kaum über ein Anfängerlevel hinausging. Wie wäre es mit einer Frau zur internationalen Perspektive gewesen? Martha Cooper oder Nika Kramer – um nur zwei prominente Beispiele zu nennen? Auch von Video.Oner hätten wir gerne mehr gehört. Skero hatte selbstredend interessantes zu berichten und auch der Kunsthistoriker Wogrin, wobei auch hier noch Luft nach oben war. Grundsätzlich ist zu fragen, sei es Ausstellung oder Rahmenprogramm, warum sich das Museum hier nicht von Personen mit mehr Expertise auf dem Gebiet Street Art/ Graffiti beraten ließ? Aber das Rahmenprogramm läuft ja noch eine Weile und es ist zu hoffen, dass die Ausstellung insgesamt auch dabei hilft hier Erfahrungen für die Zukunft zu Sammeln.

Mehr Info:

https://www.wienmuseum.at

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