A 2016, Nikolas Geyrhalter, 94 min., ohne Dialog, RED 4K / DCP, Dolby Atmos
Film über das Mensch-Sein, aus einem möglichen retrospektiven Panorama
Leere Räume, Ruinen, zuwachsende Städte, rissiger Asphalt. Unsere Lebensräume, nur ohne uns. Preisgegeben dem Verfall, oder besser gesagt: der Natur, die sich langsam zurückerobert, was wir ihr einst genommen haben. HOMO SAPIENS ist ein Film über die Endlichkeit menschlichen Seins, über die Fragilität unserer Existenz, das Ende des industriellen Zeitalters und über das, was es ausmacht, Mensch zu sein.
In einer Montage von präzise komponierten, unbewegten Einstellungen erforscht der Film die Räume, die der Homo Sapiens für sich und seine Lebensweise entwickelt hat: Von der Fortbewegung zum Wohnen, vom Gesundheitssystem zur Erziehung, von der Kommunikation zur Unterhaltung, von der Religion zur Bestattung der Toten.
Plätze auf der Erde, die wir heute schon wieder verlassen, aufgegeben oder vergessen haben. Kleine, intime Räume wie Wohnungen oder Häuser ebenso wie riesige Industriekomplexe oder Orte des öffentlichen Lebens, in unterschiedlichen Stadien schon wieder von der Natur zurückerobert. Oft bewegt der Wind die Blätter von Pflanzen oder Teile von sich auflösenden Gebäuden. Viele dieser Orte sind auch von Tieren, meist Vögeln, bewohnt. Und gelegentlich ist es Wüstensand, der leise durch ehemalige Wohnzimmer weht.
Der menschenleere Raum, sein Klang, die Geräusche von Witterung und Tierwelt, und die Zeit, die der Film den Betrachtern lässt – sie schaffen eine Intimität, ein Bei-Sich-Sein. Einen meditativen Sog, der zum Nachdenken über die Fragilität des Menschen einlädt. Und ein starkes Bewusstsein der Gegenwart jeder und jedes Einzelnen, heute, hier und jetzt.
In seinem Tschernobyl-Film PRIPYAT, in UNSER TÄGLICH BROT oder angesichts der Festung Europa in ABENDLAND hat Nikolaus Geyrhalter Handlungs-Spiel-Räume des Menschen vermessen. Mit HOMO SAPIENS beschreitet er, der Kraft seiner Bilder vertrauend, einen neuen, poetisch-essayistischen Weg. Indem der Film die Endlichkeit der Menschheit manifest macht, stellt er zeitlose Fragen: Was bedeutet Mensch-Sein im Verhältnis zur Welt, in der wir leben? Wie können wir, ohne uns an Endzeitfantasien zu weiden, unsere Gegenwart gestalten?