Warmup für 10 Jahre Struma+Iodine am 24.2.2023 im Werk Wien.
Hardcore und Hardstyle gab es in der jüngeren Wiener Vergangenheit dank Schirin immer wieder zu hören. Im Rahmen von Hyperreality traf sie 2019 auf Kilbourne, die sie später einlud einen Mix für Toxic Sickness zu produzieren, was sich als Gamechanger entpuppte und sie über die lokalen Grenzen hinaus als Hardcore DJ bekannt machte. Mit persischen Wurzeln in Wien Döbling aufzuwachsen, war für sie keine gute Erfahrung und eine, die immer noch nachwirkt. Ihren Wohnsitz verlagerte sie deshalb nach Berlin, um sich freizuschwimmen von eingefahrenen Mustern. Im Gespräch mit Schirin Charlot Djafar-Zadeh.
Kannst du ein Beispiel nennen?
Toxic Masculinity, allgemein formuliert.
Toxische Männlichkeit existiert ja weltweit und Deutschland ist auch kein besonders optimaler Ort um Rassismus zu entkommen. Berlin ist da eine von wenigen Ausnahmen.
Wenn ich wem von dieser Gattung begegne, bin ich gestärkt dadurch, dass diese Person keinen Raum hat in meinem Leben. Ich kann einfach weggehen und muss diese Menschen nicht in meiner Umgebung ertragen. Und ich weiß, ich bin safe. Woanders in Deutschland würde ich auch nicht leben wollen. Ich vermisse natürlich meine Freunde, meine Mama und meinen Bruder. Ich vermisse auch wirklich die Partys — es ist dann eben doch schöner, wenn es intimer ist.
„Das ist etwas, das sich einbrennt in deine Seele“
Wien ist ja schon der Ort mit den meisten Freiheiten in Österreich…
Jeder andere Ort in Österreich interessiert mich auch Null Komma Null. Viel zu oft, wenn ich am Land war, ist etwas Rassistisches passiert, auch als ich ganz klein war, es ist unglaublich.
Was machen deine Eltern beruflich?
Meine Mutter ist Querflötistin und hat an der Universität für Musik und Darstellende Kunst unterrichtet. Mein Vater ist vor kurzem gestorben, er ist Architekt gewesen. Mein Vater war auch Musiker. Als ich ein Baby war, hat er viele Veranstaltungen mit persischer Musik organisiert und selbst viele Instrumente gespielt. Wir haben eine ganze Sammlung von persischen Musikinstrumenten zuhause. Deshalb habe ich auch früh Geige und Klavier gelernt. Musik war immer da.
„In der jetzigen Theokratie des Iran dürfen Frauen nicht öffentlich singen oder tanzen.“
Erzähl doch noch ein bisschen was zu deiner Mutter. Ist sie ein Vorbild für dich?
Mit 12 oder 13 wusste sie schon, dass die Querflöte ihr Instrument ist. Ihr Vater fand so eine musikalische Ausbildung nicht wertvoll. Meine Mutter hat aber nicht lockergelassen und es geschafft, dass sie Unterricht bekommt und dann begonnen in Orchestern zu spielen. Das ging so lange, bis sie ihr Stipendium für Wien bekommen hat. Das Stipendium wurde damals von der Königin übergeben. Da gibt es ein Foto — meine Mutter trägt einen Minirock und lange offene Haare. Zwei Jahre später dann die Revolution. Sie ist ein Vorbild, mit dem ich mich nicht messen kann. Es ist schön und problematisch zugleich. Anders als hier ist im Iran die klassische europäische Musik eher Nische als Mainstream. Deshalb wollten meine Mutter und auch mein Vater nach Europa. Wien galt als eine Hochburg klassischer Musik. Für meine Mutter ist das immer noch ein totales Privileg, etwas ganz Besonderes, dass sie hier einfach in die Oper gehen kann. Auch vor der Revolution war der Iran schon ein sehr religiöses Land. Wenn du nicht in der Stadt gelebt hast, sondern auf dem Land, dann haben alle Frauen Kopftuch getragen und das Musikmachen ist eine Männerdomäne gewesen. Meister haben junge Männer zu Musikern ausgebildet. In der jetzigen Theokratie des Iran dürfen Frauen nicht öffentlich singen oder tanzen. Meine Mutter hatte 2007 in der Schweizer Botschaft im Iran einen Auftritt mit der Gitarristin Lily Afshar zusammen. Wir haben das aus Wien verfolgt und ich fand es so arg und mutig. Es war bis kurz davor nicht klar ob es stattfinden darf, aber da in der Botschaft die Schweiz herrscht wurde es gestattet. Ich hatte ehrlich Angst um sie. Meine Mutter ist die ärgste Feministin, die ich kenne. Link
Mit dem Musizieren auf klassischen Instrumenten hast du dann aufgehört?
Ja, ich war ein Teenager und wollte nicht üben. Mit 17 ging es dann Richtung elektronische Musik — mit meiner Freundin Jaqueline, die Ableton hatte, habe ich festgestellt, dass es auch anders geht. Damals habe ich auch meine ersten Lieder gemacht.
Kannst du dazu mehr erzählen?
Ich habe mir das Musikprogramm Reason geholt und habe da vor allem mit meiner Stimme rumgespielt und Beats daruntergelegt, die Lieder waren nie länger als zweieinhalb Minuten und dann habe ich das auf Myspace gestellt. Mein Stagename war Schicki Micki ich wurde dann einfach entdeckt und es ist dann ins Laufen gekommen, ich hatte Auftritte in Wien und Berlin. Constantin Peyfuss, der in der Wiener Musikszene sehr verwurzelt ist, hat mich 2007 mit DJ ELIN aka Auto Repeat aka Alex Müller bekannt gemacht. Und der hat dann einen fetten Remix von einem meiner Lieder gemacht. Constantin hat mich damals auch quasi nach Berlin geholt. Das waren die drei Monate, die ich nicht überstanden habe. Trotzdem war es cool, eine Erfahrung.
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