Interview mit Julia Just zu ihrem Debut Release online via Struma+Iodine

Julia Just. Jetzt. Klangquanten für die Post-Demokratie

Julia Just erkundet, erzeugt und manipuliert schon seit einiger Zeit elektronische Frequenzspektren, doch erst seit roundabout drei Jahren ist sie unter diesem Namen auf lokalen und nationalen Experimentalevents live zu erleben. Ihr längst überfälliges Debut „Analogy of the Unspoken“ (TM014/WSMTML67) ist daher rasierklingenscharf. Es brilliert mit Feinschliff wie ein nagelneues Damast-Messerset. Just resynthetisiert Geräusche des Alltags zu Klanglandschaften, die mit präziser Dringlichkeit unsere Gehöhrgänge hypnotisieren, dort schwingen und nachhallen. Dabei vertonen sie Unsagbares, wie etwa das Unbehagen einer aus dem Ruder laufenden Gegenwart.

Written by Bianca Ludewig, Photography by Marija Jociūtė

Jetzt ist es endlich soweit – bald erscheint dein Debut „Analogy of the Unspoken“! Was kannst du uns über das Album sagen? Der Titel klingt wohl überdacht, was bedeutet „Analogy of the Unspoken“ für dich? Sowohl als Titel und auch als Statement über die Musik, die Klangsprache des Albums?

Ja, das hat etwas gedauert mit dem Release, haha. „Analogy of the Unspoken” erscheint als Tape bzw. Bandcamp Download auf der Transformer/Wilhelm Show Me The Major Label, der Kooperation von Mike Giebl und Christian Sundl, die eigentlich schon vor längerem an mich herangetreten sind und mich eingeladen haben, das hat sich dann aber etwas nach hinten verschoben. Finally wird es am 9. November 2024 dann die Release Show in einem Wiener Gürtellokal unseres Vertrauens geben.

Der Titel ist ein Versuch, die Grundstimmung des Albums und vielleicht auch meine Motivation des Musikmachens zu beschreiben oder einzufangen. Mit der Musik abstrakte Räume zu öffnen ist für mich wichtig. Es interessiert mich, Klanglandschaften zu erzeugen, Umweltwahrnehmungen, Gefühle oder Zustände zu beschreiben, die schwer oder nicht in Worte zu fassen sind. Solche, die auf gesellschaftlicher Ebene vielleicht ignoriert oder tabuisiert werden, zwischenmenschliche Spannungen, Isolation, Entfremdung, Sprachlosigkeit, Kontrollverlust, Unsagbares, Unausgesprochenes…

„Analogy of the Unspoken“ klingt anders von der Atmosphäre, von der Dynamik oder vom Flow als vorige Sets von dir. Es wirkt alles sehr präzise und on point, gefährlicher irgendwie. War diesmal etwas anders in deiner Herangehensweise und Umsetzung?

Ich glaub, dass das Tape auf jeden Fall als Resultat oder Fortsetzung meiner bisherigen Arbeit gesehen werden kann, ich hab Motive, Sounds und Klanglandschaften wiederaufgenommen oder weiterentwickelt und verfeinert, bei den Live-Sets hab und hatte ich jetzt nicht immer den Anspruch etwas ‚fertiges’ zu liefern. Das ist ein etwas spielerischer, skizzenhafter Umgang für mich, auch ein Ausprobieren, wie wirken oder funktionieren die Sounds im jeweiligen Setting, was macht die Anlage her, bei Live-Sets hat man das ja nicht so in der Hand wie bei einem Release, da ging es mir schon darum jetzt etwas abzuschließen oder abzurunden sozusagen.

 „Zwischenmenschliche Spannungen, Isolation, Entfremdung, Sprachlosigkeit, Kontrollverlust, Unsagbares, Unausgesprochenes…“

Auf Soundcloud bist du mit deinen Tracks noch nicht so lange präsent, seit anderthalb Jahren oder so, warum erst so spät? Musik machst du ja schon länger. Wann hast du damit angefangen, und in welchem Moment dachtest du: jetzt gehe ich an die Öffentlichkeit damit?

Naja, diesen einen Moment dann damit rauszugehen, den gab es für mich nicht, es waren dann mehrere, die dazu führten endlich damit rauszugehen. Abgesehen davon habe ich wirklich viel ausprobiert und musste meinen eigenen Weg und Zugang zur Musik erst finden, da wollte ich dann nicht random irgendwelche Sachen droppen, sondern habe mir bewusst Zeit damit gelassen. Und so spät, ja keine Ahnung, was bedeutet spät für dich? Ich hätte auch mit meinen Sachen von vor zehn Jahren rausgehen können, aber ich bin jetzt sehr froh, dass ich das ausgelassen habe. Ein zu spät gibt es ja nicht, besser später als nie.

Musik ist schon lange Thema für mich und war immer schon Zufluchtsort, etwas konkreter angefangen habe ich als ich 2006 nach Wien kam zum Studieren, erst an der BOKU, dann Grafische. Da habe ich damals noch mit dem Handy Aufnahmen gemacht, als ich die Stadt erkundete, bevor ich mir dann meinen ersten Fieldrecorder geleistet habe. Das war damals eher ein Sammeln von Sounds, das ging einher mit dem Landschaftsarchitektur Studium und ist vielleicht vergleichbar mit dem Fotografieren. Eindrücke sammeln, die Umwelt bewusster wahrnehmen und so, richtig gearbeitet oder produziert hab ich mit den Aufnahmen aber nicht. Ich habe dann in einer Band, Snoww Crystal, gesungen, das war damals eine lustige Zeit, wir haben 2013 eine EP released und sind auch ein bisschen rumgetourt, aber irgendwann wollte ich mein eigenes Ding machen, auch weil sich mein Musikgeschmack und meine Hörgewohnheiten stark in eine andere Richtung entwickelt haben.

Spät ist natürlich relativ, und klar besser später als nie. Ich vermute einfach, dass es davor schon Produktionen von dir gab, die aus HörerIn Perspektive für eine Veröffentlichung taugen… Und wie kam es dann zu deinen ersten Auftritten, wenn der Name noch unbekannt ist, wie läuft das dann? Über Freunde oder Open Calls?

Ja, angefangen hat es mit einem Open Call für einen Soundparcour für das Sonic Territories Festival 2021. Da ging es um eine Soundinstallation im Öffentlichen Raum, also noch kein Live-Set, und ich dachte, das könnte gut funktionieren als Einstieg in die Musikszene… und die Hemmschwelle war dann auch nicht so groß für mich. Und das hat dann auch ganz gut funktioniert, ich hab einen Boxsack in der der Nähe vom See in der Seestadt mit einigen meiner ersten Tracks bespielt, im nächsten Jahr hat mich Mimie Maggale dann wieder in die Seestadt für mein erstes Live-Set vor recht großem Publikum gebucht und dann hat sich das so weiterentwickelt. 2023 hab ich mich bei einem Open Call von Small Forms beworben und in Folge ein kleines Set released. Im Herbst hat mich Shilla Strelka dann gefragt, ob ich beim Unsafe+Sounds Festival in der Zacherlfabrik spielen will, eine der schönsten Locations in Wien, wie ich finde. Und dazwischen gab es auch immer wieder Einladungen und Kooperationen. Die Musikszene in Wien ist sehr supportive, finde ich, da gibt es wirklich großartige Personen. Aber ich habe auch schon in Graz und Linz spielen dürfen.

Was sind das für Bilder auf deinem Soundcloud Account, aus einem Naturbuch oder von dir gemacht? Inwiefern haben die Bilder für dich einen Bezug zu deiner Musik? Oder auch die Titel?

Nein, kein Naturbuch. Die Fotos sind Close Ups von Pflanzen, mich interessiert das, vermutlich wohl auch aufgrund meines Studiums der Landschaftsarchitektur und später Grafikdesign. Aber auch in meiner Musikproduktion ergeben sich Texturen, Strukturen, Formen, abstrakte Landschaften, wenn man genauer hinschaut, wie durch ein Mikroskop… Ich sehe in meiner Produktionsweise da Ähnlichkeiten, denn ich arbeite recht viel mit Granular-Synthese, da zoomt man ja sozusagen auch auf Millisekunden vom Ausgangsmaterial und arbeitet dann damit, schichtet, abstrahiert, verformt.

Du kommst ja aus Kärnten, wie war es dort aufzuwachsen? Was gab es dort an Musikkontakt und Musikgeschehen? Gab es für diese Art elektronischer Musik dort eine Szene oder bist du erst in Wien in Kontakt damit gekommen?

Das ‚Kapitel Kärnten‘ ist für mich ein nicht so einfaches… So wirklichen Musikkontakt bzw. Musikgeschehen gab es dort damals für mich nicht wirklich, obwohl Musik schon immer mein Zufluchtsort war. Elektronische Musik in der Form gab es dort auch nicht, zumindest nicht, dass ich wüsste.

Meine erste Anlaufstelle als Jugendliche war damals halt FM4, diesen Sender hab ich auf und ab gehört, und mir Sachen auf meine Mini-Discs gespielt. Das war damals wohl vor allem das übliche Alternative-Grunge-Indie-Rock-Programm: Nirvana, Muse, Placebo, Björk, Sonic Youth, Radiohead. Mit der Zeit wurde es bei Radiohead dann schon interessanter mit ‚Idioteque‘, also musikalisch, synthesizertechnisch sozusagen… Ich hatte schon immer im Hinterkopf, irgendwann mal was zu machen, aber nichts konkretes, das war zu weit weg damals, auch weil das Rosental leider kein großer Hotspot war.

Das ganze Interview hier:
strumandiodine.com/article/julia-just

https://jjust.bandcamp.com/

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