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VISIT HHNOISE 05/2010
Das Felt Konzept, jedes Album einer bewunderten Schauspielerin zu widmen und es von einembefreundeten Produzenten produzieren zu lassen, hat das Duo bestehend aus Slug und Murs erneut beibehalten. Mit Ihrem dritten Album ehren Sie diesmal Rosle Perez, die man in Hip Hop-Kreisen vor allem durch Ihr Mitwirken in Spike Lees Klassiker „Do The Right Thing“ kennt, für die Produktion sorgt Aesop Rock.
Wieder eine Hommage an eine Schauspielerin und wieder kein Song, der sich mit ihr beschäftigt, wie komt das?
Slug: Diese „Tributes“ sind ja nicht wörtlich gemeinte Ehrungen. Wir machen die Arbeit aus Respekt für sie. Wenn wir direkte Songs an sie oder über sie machen würden, könnte das eine Grenze verletzen, wir könnten als sowas wie Stalker verstanden werden. Das würde niemandem helfen.
Was verbindet ihr mit Rosie Perez?
Aesop: Ich finde Rosie Perez ist eine perfekte Wahl und war froh, dass ich die Chance bekam, eine ikonische Schönheit solcher Magnitude zu ehren. Einfach eine schöne New Yorkerin mit allem, was einen Bewohner dieser Stadt ausmacht.
lnwiefem hat Rosie Perez das Album beeinflusst?
Slug: Ich würde sagen, wir haben sie während des Schreibens oder Aufnehmens überhaupt nicht im Kopf gehabt. Murs und ich haben beide Fotos von ihr gefunden, die wir auf unseren Desktops hatten, damit wir uns ihr schönes Gesicht anschauen konnten, wenn wir eine Aufmunterung brauchten. Aber weiter ging ihr Einfluss nicht.
Aesop: Mir war jedenfalls bewusst, dass ich in diesem Trio die Ost-Küste vertrete. Unter diesem Aspekt hat sie meine Arbeit beeinflusst. Denn sie hat diese gewisse New Yorker Haltung, die mich dazu motivierte
weiterhin schmutzige Drums zu choppen, anstatt irgendetwas cleanes mit der Percussion zu machen. Um ehrlich zu sein, war die Wahl Rosies für mich wie ein Freiticket, um auf übertriebene Art das zu tun. was ich sowieso mache.
Welche Tracks bei „Felt 3“ beschäftigen sich mit Frauen und auf welche Weise?
Slug: Es gibt vielleicht sechs Songs die sich Irgendwie mit Frauen beschäftigen. Aber die einzigen beiden die sich direkt um „Frauen“ als Konzept drehen sind „Gost Dance Deluxe“ und „G.I. Josephine“. „Gost Dance Deluxe“ handelt von der Suche nach der perfekten Frau für dich und dass es manchmal leichter ist, sich einzugestehen, dass es die nicht geben kann.
„G.I. Josephine“ ist eine Ode an die arbeitende Single-Mutter, die auch Zeit braucht, um auszugehen und mal die Zügel locker zu lassen. Die anderen vier sind nicht wirklich über Frauen, sondern eher über Situationen, deren Protagonisten zufällig weiblich sind. Denn die beschriebenen Situationen lassen sich nicht auf ein Geschlecht festschrelben.
Was war relevant für die Beatproduktion dieses Albums?
Aesop: Es ist das erste Mal, dass ich ein ganzes Album produziere – für mich oder sonst jemanden. Während es für die Jungs das dritte Felt-Album mit einem neuen Produzenten und eins von vielen weiteren Rap-Projekten war, gestaltete sich die Situation für mich anders: ich musste noch etwas beweisen.
Außerdem sind die beiden zwei alte Freunde von mir und es war schön, sie eine Weile auf dem Sofa sitzend, Donut essend bei mir haben zu können – das war vielleicht das wichtigste Ergebnis dabei.
Gab es Beats, die du speziell für einen schon vorhanden Text, Idee oder Konzept produziert hast?
Aesop: Der Großteil des Albums entstand aus Textentwürfen, die auf ausgewählte Beats geschrieben wurden, die Ich Ihnen vorher geschickt habe. „We Have You Surrounded“ war ein Track, wo der Originalbeat völlig entgleist ist und ich habe ihn von Grund auf neu gemacht, nachdem der Text bereits geschrieben war. Am Anfang des Tracks hört man eine gedämpfte Version des Originalbeats, während Slug drüber spricht.
Wir waren von dem ursprünglichen Beat wohl gelangweilt und als ich den All-Drum-Remix davon machte, schien es, als wäre eine Leerstelie ausgefüllt worden. Das, was die Jungs textlich rüberbringen, versuche Ich dann musikalisch mit aufgerissenen Drums: ‚fuck you, fuck you, fuck you‘.
War da ein Verlangen, nach dem Mic zu greifen? Oder war es eher entspannend, diesmal nicht zu rappen und nur zu produzieren?
Aesop: Es war von Anfang an abgemacht, dass Ich mich für die Produktion verpfllchte und dafür bin ich gerne vom Mic zurückgetreten. Natürlich hätte Ich gerne über Beats wie “Whale Face”, “Permanent Standby” oder “Protagonists” gerappt – die Beats hätte ich sonst für mein nächstes Album genommen, wenn mir nicht Felt dazwischen gekommen wäre. Es gäbe noch weitere Beats die in Frage kämen. Also: Ja, die Versuchung war da.
Wieso wolltet ihr, dass Aesop Rock euer Album produziert?
Slug: Murs und ich wir kennen Aesop Rock seit Mitte der Neunziger. Wir wollten, dass er das Album produziert, weil wir mit ihm befreundet sind. Dadurch hatten wir einen Grund, ein paar Wochen mit ihm rumzuhängen.
In einer Review über “Felt 3” war zu lesen: “Für den Dritten Teil der Felt Reihe stand diesmal Aesop Rock an den Reglern, eine Tatsache, die bei mir anfangs ein leichtes Unbehagen auslöste,
was sich durch den ersten Eindruck der Platte gleich rechtfertigen sollte. Die lnstrumentale sind-brachial, sperrig, laut und so vordergründig, dass sie den lyrischen Erzeugnissen der beiden Verbalakrobaten im Weg stehen.“ Was denkst du über diese Einschätzung?
Aesop: „Brachial, sperrig, laut“ – ja, das kann ich akzeptieren. Aber ich denke nicht, dass die Lyrics dadurch irgendwie blockiert werden. Ich mag Beats, die zuschlagen, auf sowas reagiere ich als Hörer und das ist auch das, was mich rappen lässt. Ich habe keine Lust auf so glattes Zeug. Ich mag, wenn es klingt wie ein Patchwork aus vielen verschieden Quellen und Ursprüngen, die zu einem Ganzen zusammengenäht und -geklebt worden sind. Etwas, das mit dir in Kontakt tritt und nach Aufmerksamkeit verlangt.
Murs und Slug haben zweifellos ein Risiko auf sich genommen, als sie mich gefragt haben. Denn ich bin nicht der Qualifizierteste und ich war auch nicht die nahe liegendste oder populärste Wahl.Trotzdem stehe Ich zu 100% hinter der Arbeit, die ich hier abgellefert habe. Ich glaube schon, dass ich mich von anderen Produzenten da draußen abhebe und dass Ich etwas Interessantes anzubieten habe.
Murs bedankt sich Im CD-Booklet bei Dir und Slug „for puttlng up with him“. Er sagt, er hat in der Zeit viel von euch gelernt und deshalb sei er jetzt auch ein besserer Rapper. Was meint er damit genau?
Slug: Ganz aufrichtlg, mir ist nicht ganz klar, was Murs damit meint. Vielleicht wollte er durch unser gemeinsames Rumhängen mit dem Zigaretten rauchen aufhören. Ob er dadurch mehr Luft zum Rappen hat? Ich bin mir nicht sicher.
Aesop: Es gibt zwei Arten von Menschen: Solche, die das ‚big picture‘ konstant überwältigt – und Andere die In der Lage sind, ihren Tag In kleine Stücke aufzuteilen – und jedes durch eine ganz eigene Moral und sehr individuelle Bereicherungen wahrnehmen. Slug gehört zu den Letzteren.
Er ist einer von denen, die ein Sandwich essen und wirklich versuchen, sich darüber bewusst zu sein, dass er es isst. Und dass es eine Wirkung auf ihn hat. Er kann dadurch ruhiger, konzentrierter, emotionaler oder einfach fröhlicher sein. Er erzählt dir etwas darüber. Er reagiert auf seine Umwelt und lädt sie dazu ein, es ebenfalls zu tun. Ich glaube, während diesem intimen Schaffensprozess hatten wir alle ein paar kleine Ziele, die wir verwirklichen konnten, was uns dabei hilft, bessere Menschen zu werden.
Kannst du mir etwas zu “Glory Burning” erzählen?
Aesop: Ich erinnere mich, dass ich damit spät dran war. Ich hatte schon lange keinen Beat mehr geschickt und deshalb sollte es etwas toughes werden. Schließlich entstand der Beat innerhalb einer Nacht aus
dem Nichts heraus. Naja, so ist es ja meistens, tagelang macht und tut man, ohne, dass etwas dabei heraus kommt und wenn man nicht damit rechnet, fallen die Teile innnerhalb von Minuten zusammen. Auf diesem Track haben sich die Jungs wirklich die Seele aus dem Leib gerappt.
Ich erinnere mich, wie Murs diesen Track in einem One-Take in meinem Haus aufgenommen hat. Er war so laut! Sean war draußen, um eine Zigarette zu rauchen und er hörte noch die letzten Fetzen und fragte gleich: „Was hab ich verpasst?“ Wir konnten nicht mehr aufhören zu lachen, weil wir alle überwältigt von seiner Lautstärke waren.
Ist es einfacher, für Rapper zu produzieren, wenn man selber einer ist?
Slug: Wenn der Produzent auch Rapper ist, dann weiß er etwas besser, welche Art von Story oder Rapstyle welche Art von Musik braucht. Ich glaube auch, dass solche Produzenten die geduldigeren sind, wenn der Rapper noch Texte fertig schreiben muss.
Aesop: Nein, es ist nicht leichter und auch nicht besser. Viele der besten Produzenten haben nie selber Vocals gemacht. Aber ich glaube, dass der Sound den ich produziere, sich gut zum Rappen eignet.
Gab es jemals längere Diskussionen über einen Song?
Aesop: Wir haben alle gleichmäßig Input gegeben, jeder steuerte sein Schiff, aber hörte dem Anderen zu. Am Ende hatten wir Entscheidungsprobleme darüber, welche Tracks wir rausschmeißen sollten. Murs schlug dann vor, wir sollten alle behalten und damit war das Problem gelöst. Jeder hat sich mit denen, die er nicht mochte, auseinandergesetzt und losgelassen. Ich habe sowieso noch nie diese “kurze Alben sind die besseren“ Philosophie
verstanden.
Was Ist das Besondere an der Zusammenarbeit mit Murs und Slug?
Aesop: Es gibt nur Wenige, deren Anwesenheit im Studio so angenehm ist, wie die von Murs. Mir ist aufgefallen, dass er im Studio insgesamt sanfter wird. Er spricht dann sehr leise. Dann geht er in die Booth – und alles im Raum steht kurz still, er hält den Augenblick mit Seele und Autorität gefangen. Dann drückst du Stop – und es wird still. Dann fragt er “wie war das”? Du holst nur Luft und sagst: „Uh… das war richtig richtig gut“.
Slug ist der genuine MC. Er ist zu Hause, verbringt seine Zeit im Studio. Er hat alles durchdacht und auf dem Schirm, wenn er ankommt: „Ich will diesen Vers genau so, dieser Teil in der Hook hat drei Layers, dieser Teil zwei. Den mache ich in dieser Snoop-Stimme und den anderen mit der Rakim-Stimme…“ – das ist super für den Arbeitsprozess, man merkt, dass er aus dieser 4-Track-Generatlon kommt, die sich selber aufnimmt. Obwohl er offiziell selber nicht “produziert“, weiß er, wie man einen Track gut aufnimmt. Im Studio können wir mit wenig Worten gut kommunizieren. Wir merken beide ziemlich gleichzeitig, was gemacht werden muss.
Wie hat sich eure Freundschaft durch dieses gemeinsame Projekt verändert?
Slug: Ich würde sagen, das Projekt hat unsere Freundschaft gestärkt.
Aesop: Ich habe alle paar Tage Beats geschickt, die beiden haben sich für eine Schreib-Session in Minneapolls getroffen. Als wir uns trafen, gab es schon einen groben Rahmen und dann fiel alles an seinen Platz. Es war einfach richtig gut und erfüllend. Wir hatten viel Spaß und haben unsere Freundschaft wiederbelebt.
Wie seid Ihr Freunde geworden und geblieben?
Aesop: Slug und ich waren uns seit 1998 über die Person und Musik des Anderen bewusst. Damals war der Teich, in dem wir beide fischten, ja auch noch recht klein und wir telefonierten eines Tages – quasi als gegenseitige Fans.
So zwei Jahre später reiste ich nach Japan – meine erste Reise über Amerika hinaus – für das erste Def Jux Jubiläum. Murs war auch für die Show gebucht und wir trafen uns im Flugzeug. In beiden Fällen hatte ich das Gefühl, auf eine Variante von mir selbst zu treffen. Einige Gemeinsamkeiten, aber genug Unterschiede damit es interessant bleibt und die Diskussion am Laufen hält. Wir machen ganz ähnliche Dinge, nur in unterschiedlichen Städten.
Slug:
Ich habe Murs bei einem Auftritt Anfang der 90er getroffen. Ich habe mich ihm vorgestellt, weil wir einen gemeinsamen Freund hatten. Wir haben uns nicht gehasst, deshalb sind wir Freunde geworden.
Ich habe Aesop Rock Mitte der 90er am Telefon kennengelernt – an einem Valentinstag. Wir haben uns nicht gehasst, deshalb sind wir auch Freunde geworden. In den 9oern war es sehr einfach, sich unter Rappem zu hassen, weil wir alle dachten, wir wären besser. Wenn man also einen Rapper getroffen hat, den man nicht hasste, dann freundete man sich an.
Was bedeutet es für dich “independent” zu sein? Wo fängt das an und wo hört es auf?
Aesop: Ich denke, das Ist Einstellungssache. Für mich bedeutet es, in der Lage zu sein, die eigenen Fähigkeiten voll zu entfalten und so daran zu gehen, dass dir Akzeptanz egal ist, dass man es vielleicht sogar feiert, eben nicht so zu sein.
Slug: Für mich bedeutet das lediglich, dass man für seine eigene Zukunft die Verantwortung trägt. Es hört nie auf – es sei denn, du lässt es aufhören.
Interview: Bianca Ludewig