Plötzlich war sie da, so um 2022 ist Katrin Euller aka RENT auf die Bühnen und ins Publikum der Wiener Experimentalszene gespült worden, natürlich nur in meiner eingeschränkten Wahrnehmung. Durch ihr Kunststudium der Bewegtbilder an der Akademie, war sie vormals eher in dortigen Kreisen umtriebig, bis die Magie der elektronischen Klang- und Frequenzwellen schließlich dominierte. Nach ihrer Debut EP “As Cold As Sunlight” 2023, legt sie nun zügig nach mit dem Album “Kill A Phantom”, das im Juni 2024 bei Struma+Iodine mit einem Releasekonzert prämierte und auf Ventil Records zur Veröffentlichung gelangte. Seid Kurzem ist sie auch Teil des Doom-Metal Projekts EAERES, das heuer beim donaufestival zu sehen war. Höchste Zeit also für ein mica-Update.
Liebe Katrin, ich beginne mit Fragen zu Namen – zunächst mal die Frage nach deinem Albumtitel “Kill A Phantom“ da hast du auf FM4 gesagt, das sei ein Zitat von Virginia Woolf. Aus welchem Buch ist es und was bedeutet das Werk von Virginia Woolf für dich?
Katrin Euller: [lacht] Das ist eine ganz schlechte Frage [lachen]. Ich weiß nämlich noch nicht mal, ob es aus einem Buch oder einem Interview ist. In meinen Zwanzigern hatte ich nur „Orlando“ und „Ein eigenes Zimmer“ gelesen.
Ich frage deshalb, weil ich mir immer vorgenommen habe, ihre Bücher zu lesen und es bisher leider nicht geschafft habe. Ich dachte vielleicht geht es einigen Leser:innen auch so, und das könnte jetzt eine Erinnerung, ein Anlass dazu sein.
Katrin Euller: Diese Bücher kann ich auf jeden Fall empfehlen. Das Zitat habe ich mir irgendwann einmal notiert, es heißt: „it is far harder to kill a phantom than to kill reality“.
Und was bedeutet der Satz für dich in Bezug auf dein Album?
Katrin Euller: Ich interpretiere den Satz als ein Hinterfragen von Gegebenheiten und Realitäten, über ästhetische Vorstellungen, über Fragen der Komposition, aber auch Fragen von Strukturen und politischen Systemen. Das Hinterfragen eines Kanons. Ich finde den Satz interessant, weil er Fragen eröffnet.
Die Frage, die sich jetzt für mich eröffnet, ist die nach deinem Alterego RENT? Wie kam es zu diesem Namen?
Katrin Euller: Ich hatte vorher schon unter meinem bürgerlichen Namen, Katrin Euller, in der Kunstszene Musik gemacht, aber das hat mir auf Dauer nicht gefallen. Dann habe ich alle Buchstaben meines Namens in eine Chaosmaschine geworfen und wollte ein kurzes, prägnantes Wort. RENT gefiel mir dann irgendwie. Wenn mich jemand fragt, was es bedeutet, sage ich immer, es bedeutet nichts. Damals gefiel es mir aber auch, nicht nur, weil es “ausleihen” bedeuten kann, sondern vor allem, weil es auf Englisch “zerrissen”, also “torn to pieces”, bedeutet.
Die meisten bürgerlichen Namen sind eher etwas unstylisch, klingen nicht schön, daher verstehe ich nicht, warum so viele an ihnen festhalten, wenn sie sich als Künstler:innen doch neue Namen geben könnten. Aber was hast du da genau gemacht als Katrin Euller in der Kunstszene?
Katrin Euller: Ich habe Kunst an der Akademie bei Dorit Margreiter in der Video- und Videoinstallationsklasse studiert. Ich habe einige Videos gemacht und dabei das Bild immer weiter reduziert, bis eigentlich nur noch der Sound übrig war. Anfangs habe ich noch mit Samples gearbeitet, oder Freunde haben den Sound zu den Videos gemacht. Aber schon bald habe ich mir dann ein paar Programme wie Ableton besorgt und angefangen, das Bild, mit dem ich ohnehin gekämpft habe, ganz wegzulassen und mich nur noch der Tonspur zu widmen. Das hat mir viel Freude gemacht.
Es ist ja als Frau heute nach wie vor nicht selbstverständlich, elektronische Musik oder Sound zu machen, weil das traditionell noch männlich konnotiert ist und vielen der Zugang fehlt. Gab es da Menschen, die dich dabei unterstützt haben?
Katrin Euller: Ich habe das Gefühl, die jüngere Generation ist heute viel mehr damit in Kontakt, aber ich hatte damals keinen Zugang dazu. Bei mir war noch Klavierunterricht angesagt. Ich wurde aus der Musikschule geschmissen, weil ich nicht geübt habe und auch nicht vorspielen wollte. Das habe ich dann bleiben lassen und das Thema Musik vorerst abgehakt, und stattdessen Biologie studiert. Erst durch die Akademie und das Umfeld dort bin ich wieder in diese Richtung gekommen. Da hatte ich auch einen Freund, der elektronische Musik gemacht hat und mit dem ich herumprobieren konnte. Also bin ich erst über die Videosoundspur wieder zur Musik zurückgekommen und dann gleich auf eine ganz andere, experimentellere Art und Weise. Ohne Disziplinierungsübungen, sondern einfach ausprobieren.
Vielleicht ist das schon die Antwort auf die Frage, wie du mit dieser Art von Musik in Berührung gekommen bist? Denn das ist ja keine Mainstreammusik, sondern man muss danach suchen, auch wenn sie inzwischen populärer geworden ist. Ich habe dich vor der Covid-19 Pandemie auf Konzerten und solchen Veranstaltungen in Wien gar nicht so wahrgenommen.
Weiterlesen auf Music Austria:
https://www.musicaustria.at/hoffnung-fuer-die-hoffnungslosen-ein-gespraech-mit-rent/
Mehr Infos & Sound:
RENT (bandcamp)
RENT (Soundcloud)
Ventil Records