donaufestival @ Krems AU, 27.4.-06.05.2018: Endlose Gegenwart

Das donaufestival ist eine Veranstaltungsserie für zeitgenössische Kunst und Kultur in Niederösterreich. Es „erschafft jedes Jahr eine Parallelwelt zwischen Systemabsturz und Neustart. Es setzt auf abenteuerliche Ästhetiken und Vibrationen zwischen Musik, Performance und Bildender Kunst.“ (donaufestival.at) Das Festival wurde 1988 gegründet und erfuhr 2005 eine fundamentale Neuausrichtung unter der Leitung von Tomas Zierhofer-Kin, der das Festival bis 2016 leitete. Seit 2017 ist er künstlerischer Leiter der Wiener Festwochen. Jetzt hat Thomas Edlinger die künstlerische Leitung übernommen. Edlinger ist vor allem wurde er durch seine Radiosendung Im Sumpf auf FM4 bekannt, welche er seit 25 Jahren co-produziert.

Wie immer trifft im Programm selbst für Insider Bekanntes auf Unbekanntes, etabliertes auf Up-and-Coming Artists. In Österreich ist das Festival seit seiner Neuauflage ein fester Termin für viele Musiknerds; in Deutschland oder international ist es noch ein Geheimtipp.

Im Musikprogramm u.a. ZONAL feat. Moor Mother, Lotic, Perc, Lawrence English, The Space Lady, Mouse on Mars, Venetian Snares x Daniel Lanois, Puce Mary, Demdike Stare, Deerhoof , Amnesia Scanner, Laurel Halo oder Pan Daijing.

Im Gesprächsprogamm u.a. der Autor und Musikjournalist Simon Reyonlds im Gespräch mit seinem Kollegen Jens Balzer oder Kulturwissenschaftlerin Eva Horn mit dem Philosophen Armen Avanessian.

Umfangreich ist wie immer auch das Angebot an Performances und Sound- oder Kunstinstallationen.

Sportlich im Geiste und Körper muss man unterwegs sein wenn man Teil der neu eingeführten Stockholm Syndrom Sessions sein will, auch bei widerwilligem früh morgendlichem Aufstehen, waren meist keine Reservierungen mehr zu bekommen. Hier werden die KünstlerInnen nicht im Vorfeld bekannt gegeben und häufig kommen hier Performance und Musik zusammen.

Programminfos:
https://www.donaufestival.at/de/festival/programm

Kuratorisches Statement 2018:

Nichts endet wirklich, aber auch nichts beginnt neu. Kann man diesen Zustand auch als eine Befreiung von den Altlasten der Vergangenheit oder der Idealisierung der Zukunft verstehen? Oder leben wir im Zeitalter des vorgetäuschten Fortschritts, der das Versprechen auf ein Morgen zum bloßen Systemupdate verkümmern hat lassen und dem das Moment einer tatsächlichen Zeitgenossenschaft (die die Möglichkeit zur Distanz zur Gegenwart voraussetzt) abhanden gekommen ist?

Jedenfalls erscheint die chronologische Ordnung nachhaltig erschüttert. Kultur und Politik werden von
Zombies aus der Vergangenheit heimgesucht. Die Gegenwart überflutende Erinnerungskulturen und Retrophänomene künden vom Bedürfnis nach Fixpunkten der Geschichte. Im Netz geistern Memes herum, die eine Klick-Beziehung mit dem Jetzt pflegen.

Wenn wir nach vorne blicken, sehen wir Spekulationen über Spekulationen, die den Finanzkapitalismus bes timmen. Rechner arbeiten im Nanosekundentakt und erzeugen so eine Gegenwart, die aus der prognostizierten Zukunft kommt. Unser Leben online setzt eine Datenverwertung unseres digitalen Doppelgängers in Gang, der wie ein technologisches unbewusstes mehr über uns antizipieren kann als wir selbst. Das Regime des Algorithmus bedeutet die Absage an den Geist der Freiheit. Daher verspricht die Rede von der Zukunft kleinlaut meist nurmehr von dem, was es schon gibt an Likes. Und die Hoffnung darauf, dass die Perpetuierung der Gegenwart nicht schon die Katastrophe ist, die uns Kipppunkte der Systemstabilität – etwa im Hinblick auf Finanzmärkte, oder Klimaveränderungen – überschreiten lässt.

Ist das anders als jetzt?

Vielleicht. Hoffentlich. (Thomas Edlinger, Künstlerischer Leiter donaufestival)

 

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