Interview Bianca Ludewig | Layout Gizmo
Das Rap-Trio aus Cincinnati/Ohio das auch durch die Zusammenarbeit mit den Lone Catalysts, Talib Kweli, J-Live, Mr. Dibbs oder J.Rawls bekannt wurde, hat seit einer Weile auch einen Stützpunkt in Berlin, da Fat Jon sich dort unsterblich verliebte. Daraus ergaben sich auch neue musikalische Verbindungen und Ereignisse: DJing im Watergate, Remixe von Tortoise oder auch Aktivitäten am Mic für Lokalhelden wie Pole. Berlin hat Fat Jon so inspiriert, dass er seit dem letzten Band-Album zwei Soloalben und mehrere neue Projekte realisierte – und das ungewöhnlichste Five-Deez-Album ever produzierte: „Kommunicator“! Aber die Anti-Bush-Fanatiker Pase, Kyle David und Fat Jon sind nicht nur kreative Musiker, sondern auch intelligente und humorvolle Gesprächspartner. Check it out!
„Ich würde das neue Album als transdimensional Space-Funk bezeichnen, oder etwas schlichter: als Electronic Hip-Hop.“
BACKSPIN: Jon, du lebst seit einiger Zeit in Berlin. Wie findest du noch Gelegenheit, dich mit Hitek, Kweli, Rawls oder den Catalysts zu treffen?
FAT JON: Nur noch, wenn wir uns konkret vornehmen zu produzieren, oder wir beschließen, zusammen auf Tour zu gehen. Meistens treffen wir uns zufällig, in Cincinnati oder New York, und verabreden uns dann.
BACKSPIN: Wird es ein weiteres „3582“-Album mit J-Rawls geben?
FAT JON: Bei diesem Projekt hat Rawls die Beatlayers gemacht und ich die Vocals, Interludes und Remixe. Wir mochten das, und wir wollen auch ein drittes Album machen, aber ich hatte einfach keine Zeit, da ich neben dem Five-Deez-Album so viele andere Projekte gemacht habe.
BACKSPIN: Welche Projekte sind das?
FAT JON: Ich habe weiter daran gearbeitet, eine neue Art von Future-Hip-Hop zu kreieren. 2004 brachte ich ein weiteres Soloalbum, „Lightweight Heavy“, raus und arbeitete an meiner neuen Soloplatte „After Thought“, die dieses Jahr auf meinem eigenen Label Ample Soul veröffentlicht wird. Dann habe ich eine Art Soul-Projekt mit der Berliner Sängerin Rebel-Click begonnen. Außerdem habe ich eine weitere neue Gruppe mit dem anderen Five-Deez-Producer Sonic namens The Beautiful Killing Machine, wo wir beide produzieren, und ich mach die Vocals. Da wird dieses Jahr auch noch ein Album kommen, aber vorher erscheint mein Projekt mit Styrofoam, einem belgischen Elektronik-Musiker. Wir haben ein Album komponiert, das wirklich anders ist und das uns sehr am Herzen liegt.
BACKSPIN: Pase, erzähl doch mal was über dich und dein Soloprojekt!
PASE: Ich bin 28 – das Baby der Crew. Ich bin MC, aber auch der DJ der Gruppe. Mein Soloalbum heißt „Bullshit As Usual“ und kam im April 2003 raus. Das ganze Album ist in Japan entstanden. Es war für mich wichtig, mal für eine Weile aus Cincinnati rauszukommen. Und es war interessant zu sehen, was für eine Wahrnehmung und Interpretation die Szene dort von Hip-Hop-Musik hat, und das aufzunehmen. Ich lebe gerade in New York, arbeite viel als DJ und auch an einem neuen Soloalbum.
BACKSPIN: Okay, und wie steht es mit dem neuen Five-Deez-Album? Wie klingt es?
FAT JON: Ich finde, es ist bisher unser mutigstes und gewagtestes Album?
BACKSPIN: Warum mutig?
FAT JON: Weil es darüber nur zwei Meinungen geben kann: Man mag es oder nicht. Da gibt es nichts im Mittelfeld.
BACKSPIN: Was unterscheidet diese Album von euren bisherigen?
FAT JON: Diese Platte schreibt eine Entwicklung fort, auf eine neue und extremere Art und Weise. Denn wir machen nicht das Gleiche zweimal. Es ist ein Konzeptalbum. Die Idee war, sich eine kodierte Übertragung von einem unbekannten Ort vorzustellen und zu überlegen: Wie würde sich das als Hip-Hop-Platte anhören. Das betrifft hauptsächlich den Sound.
BACKSPIN: Ihr benutzt ja mit Vorliebe Elemente aus anderen Musikrichtungen wie House, Ambient oder Disco. Wie war die Reaktion in den USA auf eure Alben?
KYLE DAVID: Viele waren verunsichert, im Positiven wie im Negativen. Für eine Hip-Hop-Gruppe ist das, was wir machen, nach wie vor unkonventionell und damit ungewohnt. Ich denke, wenn Menschen nur mit einer Art von Musik konfrontiert werden wollen, dann zeigt das eigentlich nur, wie oberflächlich sie sind. Für offene Menschen funktioniert auch diese Platte. Wir bedienen ein weites Publikumsfeld mit unserer Art von Musik, und die Label, mit denen wir Arbeiten, wie K7, stehen ja auch genau für eine solche Offenheit.
BACKSPIN: Es macht den Eindruck, als hättet ihr auf der Schnittstelle zur elektronischen Musik nun euer Ding gefunden?
FAT JON: Für uns ist es ganz natürlich, in diese Richtung zu gehen, denn es ist die Interessantere. Hip-Hop hat sich nur zu Rap entwickelt und ist dann stehen geblieben. Dabei gibt es all diese vielseitigen Spielarten von Hip-Hop. Dazu gehört auch „Kommunicator“! Ich würde das neue Album als transdimensional Space-Funk bezeichnen, oder etwas schlichter: als Electronic Hip-Hop. Denn es ist definitiv ein Mix aus elektronischen Elementen und Hip-Hop!
BACKSPIN: Lasst uns ein bisschen über Amerika reden, was haltet ihr von Bush?
FAT JON: Fest steht: Alle reden Müll! Und wer den erträglichsten Müll verspricht und nicht Bush ist, der ist mein Mann.
PASE: Ich bin richtig anti-Bush und habe sogar bei den Wahlen die Demokraten gewählt, damit meine Stimme eine richtige Anti-Bush-Stimme wird. Deshalb konnte ich leider nicht das Spiel „Ich wähle den Besten“ mitspielen.
KYLE DAVID: Ich bin ein Anti-Bush-Fanatiker. Ich bin für jeden, der gegen ihn ist. Und für jeden, der ein besseres Konzept von Außenpolitik hat. Und nicht diese „Stiermentalität“.
BACKSPIN: Meint ihr, Politiker wie Colin Powell vertreten noch die Interessen der Afroamerikaner?
KYLE DAVID: Nein, dafür gibt es viel zu viel Angst. Colin Powell tut es nicht, und ich sehe auch sonst keinen. Wenn es jemanden geben sollte, ist er noch nicht an die Öffentlichkeit getreten.
FAT JON: Ich kenne einige bei den Republikanern, die machen zwar vieles, was nicht sehr beliebt ist, versuchen aber gleichzeitig auch afroamerikanische Interessen zu verfolgen. Aber die meisten Politiker – egal ob schwarz oder weiß – tendieren dahin, dass sie mit dem und für das bestehende System arbeiten.
BACKSPIN: Was denkt ihr über die Black-Panther-Bewegung?
FAT JON: Es passierte zu einer Zeit, wo viele es brauchten und diese Idee viele Unterstützer fand. Ich glaube, so ein Punkt kommt nie wieder. Heute werden die Menschen den Mut für so einen Kampf nicht mehr aufbringen. Und niemand möchte freiwillig diesen Kampf anführen.
BACKSPIN: Das ist verständlich, denn die meisten ihrer politischen Führer sind nach wie vor im Gefängnis. Aber sind diese Persönlichkeiten und ihr Kampf inzwischen vergessen? Ist Rassismus noch ein Thema für euch oder in der Öffentlichkeit?
PASE: Wir reden regelmäßig über solche Themen, aber man kommt als Individuum irgendwann an einen Punkt, an dem man sich entscheiden muss: Will ich all diese Dinge, die mir die Gesellschaft vorgibt, in meinem Leben aufrecht erhalten? Wie zum Beispiel Rassismus. Ich habe mich entschieden, da nicht mehr mitzumachen. Nicht, es zu ignorieren oder stillschweigend zu dulden, sondern einfach nicht mitzumachen. Viele Leute machen mit, weil sie es als Krücke benutzen, indem sie alles, was ihnen passiert, darauf zurückführen. Also immer die Schuld woanders suchen. Das ist nicht gesund. Insbesondere nicht für die Afroamerikaner. Wenn man nicht darüber steht, verstrickt man sich darin und bleibt ein Teil davon. Generell sehe ich den Kampf für unsere Rechte und gegen Rassismus definitiv noch als Thema.
KYLE DAVID: Ich sehe das ähnlich. Wir alle sind davon in irgendeiner Form in unserem Alltag betroffen. Es passiert mir immer wieder, dass ich zu hause sitze und mich ärgere und etwas auf dieses Rassending schiebe … Wenn ich aber tiefer grabe, finde ich meistens heraus, dass die Ursachen doch woanders lagen. Die Menschen verwickeln und verrennen sich darin, weil es mehr als alles andere dabei um Geld und Macht geht. Dieses Rassending sorgt dafür, dass die Armen arm und die Reichen reich bleiben. Arme „Weiße“ geben den „Schwarzen“ die Schuld für ihre Armut – und arme „Schwarze“ geben sie den „Weißen“. Oder Mexikanern, Arabern und so weiter.
BACKSPIN: Diese amerikanische Art des Hit-Machens, gefolgt von Klamottenkollektionen, Parfümserien, Pornos, Restaurants … Diese Art, aus allem ein Geschäft zu machen – wie denkt ihr darüber und über Rapper wie 50 Cent?
FAT JON: 50 Cent und jeder andere, der so erfolgreich ist, hat eine Entscheidung getroffen, solche Musik zu machen und so erfolgreich zu werden. Wir könnten dieselbe Entscheidung treffen – aber wir tun es nicht. Wir möchten die Musik machen, die wir jetzt machen. Und das mit den Klamotten und Filmen, das ist eben der amerikanische Weg, der amerikanische Traum! Wir sind nicht sauer auf diese Rapper. Musik ist auch ein Geschäft, und sie sind gute Geschäftsmänner, deshalb sind sie reich. Dass sie Hip-Hop dazu benutzen, finden wir bedenklich, aber 50 Cent trifft keine Schuld. Alles, was wir machen können, ist: Es anders machen. Auch wir sind mit drin im Business. Wir sind gar nicht so anders. Wo wir herkommen, ist eben einfach „get rich or die trying“ angesagt!
BACKSPIN: Wie ist es mit „get free or die trying“ …?
PASE: Freiheit ist eine Illusion. In den USA ist Freiheit schwer zu bekommen. Die Amerikaner denken, sie wären frei, obwohl sie es nicht sind. Die Deutschen sind in einigen Aspekten freier als die Amerikaner. Denn uns wird Freiheit verkauft. In Amerika ist nichts frei – alles wird verkauft. Die Nation der Superverkäufer, das ist der amerikanische Weg.
FAT JON: Die Amerikaner merken selbst nicht, wie fertig sie sind. Und unglücklicherweise schaut der Rest der Welt zu uns auf, sieht uns als eine Art Vorbild. Aber die amerikanische Mentalität ist abgefuckt, völlig im Eimer.
PASE: Als wir das erste Mal Amerika verließen, hatten wir viele Erkenntnisse und Offenbarungen. Weniger als 15 Prozent der Amerikaner haben einen Reisepass, sprich: haben jemals das Land verlassen. Die Hälfte unserer Freunde ist nie aus Cincinnati rausgekommen. Wenn wir erzählen, dass wir nächste Woche nach Berlin fahren, denken die, Berlin sei in Ohio.
FAT JON: Das ist eine traurige Sache – we got to bash America – der Großteil der amerikanischen Bevölkerung hat einfach keinen Blick für die Welt. Sie wissen nicht, was außerhalb ihres Landes passiert, und es interessiert sie auch nicht. Im Rest der Welt haben viele ein Bewusstsein darüber und machen sich Gedanken wie: „Oh, krass, was da schon wieder in Uruguay los ist …“
KYLE DAVID: Und zurück zu unserem Freund Bush, deshalb ist er so populär! Weil genau das die Mentalität ist, die er vertritt. It’s crazy as fuck! Hier noch mal ganz deutlich für die Nachwelt: Wir, die Five Deez, repräsentieren nicht diese Mentalität!
BACKSPIN: Wer sind für euch die wichtigsten Persönlichkeiten in der afroamerikanischen Geschichte?
KYLE DAVID: Frederic Douglas war sehr wichtig, denn er war die erste politische Figur, die den Schwarzen zeigte, dass man sich auch als Schwarzer Bildung aneignen und seine Interessen vertreten kann – und dadurch auch die Möglichkeit hat, in eine Machtposition zu kommen. Natürlich auch Sportler wie Joe Lewis und Jesse Owens – für das, was sie für alle Schwarzen weltweit repräsentierten. Denn damals galten Schwarze noch nicht als vollwertige Menschen. Muhammad Ali war sehr wichtig. Viele waren auf unterschiedliche Art und Weise wichtig für ihre jeweilige Zeit.
PASE: Martin Luther King war wichtig und Malcolm X. Aber auch Leute wie Bill Cosby …
FAT JON: Und natürlich Marcus Garvey! Der sagte: „Fuck this – lasst uns zurück nach Afrika!“ Diese Einstellung kann ich gut nachempfinden – auch wenn es nicht geklappt hat.