Bianca Ludewig über Philipp Dorestal´s “Style Politics – Mode, Geschlecht und Schwarzsein in den USA, 1943-1975“
Zitierbar: Bianca Ludewig (2013): Rezension zu: Philipp Dorestal: Style Politics. Mode, Geschlecht und Schwarzsein in den USA, 1943–1975, Bielefeld: transcript 2012, in: READ #14, Hamburg, Radar Hamburg 5, 2013, 4–9
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Stellt euch das Amerika der 40er Jahre vor und dass ihr auf einem Dragball in Detroit oder Chicago seid, bei einem Little Richard-Konzert im Atlanta der 50er Jahre, bei einem der Sit-Ins der Bürgerrechtsbewegung der 60er Jahre, bei einer Demonstration der Black Panther Party irgendwo in Kalifornien, bei einem Training der Nation of Islam oder bei einem Blaxploitation Film-Screening im Harlem der 70er Jahre. Und nun lasst der Fantasie freien Lauf: Wie würdet ihr aussehen? Welche Kleidung tragt ihr? Welche Frisur, welche Accessoires? Tragt ihr Makeup, Nagellack oder Waffen? Welchen Lifestyle performt ihr, welche Attitüde? Flamboyant, Pachuca, Hipster, Black Power, exzentrische Frömmigkeit, bürgerliche Respektabilität, Boheme, Radical Chic, Yippie, Pimp oder Asskickin-Baad-Bitch? Nach Beantwortung dieser Fragen stimmt das Tuning für Style Politics.
Philipp Dorestal untersucht in seiner Dissertation die Geschichte der African Americans von 1943-1975 durch die Brille des Style. Der Begriff “Style Politics“ soll die politische Dimension von Style hervorheben. Das Politische lässt sich für ihn als alles beschreiben, was nicht naturgegeben ist, sondern veränderbar. Daher versteht er seine Arbeit auch als Beitrag zur “Kulturgeschichte des Politischen“, also als eine Analyse kultureller Phänomene und wie diese das Politische artikulieren. Dorestals Untersuchung beginnt 1943 mit den Zoot Suit Riots in L.A. und endet mit den Blaxploitation-Filmen der 70er Jahre, die ein Verschwinden der Black Power Bewegung in der Öffentlichkeit bereits antizipieren. 1975 sieht Dorestal als Jahr einer Zäsur in der Afro-Amerikanischen Geschichte. Durch die Betrachtung eines langen Zeitraums, also einer Neu-Periodisierung und -Konzeptionalisierung, will er eine andere Perspektive auf das Civil Rights Movement ermöglichen. Und er will zeigen, dass ein alternativer Style fast immer Bestandteil politischer Strategien und Bewegungen ist.
LETS DANCE!
Mit der Zoot Suit Culture taucht man ab in die vielschichtigen Details der Historie. Anfang der 40er Jahre jagten weiße US-Matrosen über Tage African, Philipino und Mexican Americans in L.A., zogen ihnen die Zoot Suits aus und vermöbelten sie ordentlich. In der Folge wurden die Matrosen in der Presse gelobt, die Zoot Suiter wurden kriminalisiert und pathologisiert, die Anzüge wurden in L.A. verboten. Wer diese Maßnahmen als rassistisch kritisierte, wurde als KommunistIn abgestempelt. Warum? Der Zoot Suit war vor allem gefährlich, weil er Solidarität mit anderen von Rassismus
betroffenen Gruppen herstellte- und das in der Kriegszeit, in der der Staat Mäßigung, Einheitlichkeit und Geschlossenheit im Kampf gegen den Faschismus einforderte Der Anzug aber verwies auf ähnlich negative Erfahrungen in der hegemonialen US-Gesellschaft. Ab 1943 erfuhr (abweichendes) Styling deshalb durch verschiedene Ereignisse eine breite öffentliche Aufmerksamkeit, so der Kleidungsstil gegen das verstieß, was während der Kriegszeit als schicklich galt. Der Anzug ging meist mit einem spezifischen Slang und Lebensstil einher und war nicht mit den patriotischen Verpflichtungen im Gleichklang, sondern mit subkulturellen Interessen wie Tanz und Jazzmusik. Der Zoot Suit, der oft in Kombination mit farbintensiven Hüten getragen wurde, war ein ungewöhnlich weit- und langgeschnittener Anzug, der optimal für das Tanzen von Lindy-Hop oder Jitterbug geeignet war, und hiermit wurde zumeist auch das verpönte Race-Mixing in den entsprechenden Nachtclubs verbunden. Die Mexican Americans in L.A. erkannten sofort seine vielschichtigen Qualitäten und er wurde zum Must-Have für Pachucos & Pachucas, die ihn für ihre eigene Sub-Subkultur nutzten. Neben L.A. wurde auch N.Y. ein Zentrum der Zoot Suit Culture, die auch Subkulturen in Europa wie Teds oder Hipster beeinflusste.
Die Zoot Suiters waren Race Rebels und trugen den Anzug trotz drohender Sanktionen, weshalb ihm etwas Widerständig-Rebellisches anhaftete. Der “effeminierte“ Look der Zoots bei Männern und das Tragen von Anzug-Elementen zusammen mit krassem Make-Up bei Frauen durchbrachen die Geschlechterstereotypen der Zeit. Dorestal interpretiert den Zoot Suit als stylepolitisches Statement gegen den Status Quo. Über Style wurden von den verschiedenen Akteuren Diskurse von Race, Class und Gender zusammengeführt.
CROSSDRESSING VS CIVIL RIGHTS
Als nächstes untersucht Dorestal die Bürgerrechtsbewegung der 50er Jahre, die zunächst durch moderate Mittel wie Performance eines respektablen Styling ihre Forderungen untermauern wollte. Auch bei den Sit-Ins der 60er Jahre wurde auf diese Stylingstrategie gebaut, die Würde und Disziplin vermitteln sollte. Welche Kleidung hierfür sinnvoll war, hing eng mit Bildung und Klassenzugehörigkeit zusammen und war regional unterschiedlich. Im Gegensatz zu diesen Strategien standen die Dragballs, die bis in die 50er Jahre äußerst populär waren. Hier sollte die Kleidung möglichst extravagant sein, und Cross-Dressing sowie Race-Mixing waren Standard. Dieses Styling, ebenso wie Homosexualität und das damit einhergehende subversive Potential, waren in der Arbeiterklasse der großen Städte weitgehend akzeptiert. Doch ausgerechnet die Bürgerrechtsbewegung stand den Dragballs kritisch gegenüber, weil das Styling nicht mit ihrer Vorstellung eines respektablen Style konform ging. Laut Dorestal ging das Erstarken der moderaten Bürgerrechtsbewegung mit der Zurückdrängung von liberalen Ansichten über Homosexualität oder unterhaltsame Exzentrik einher, und stattdessen kamen nun Disziplin, Askese und Selbstverzicht auf die Tagesordnung. Die Irritation der Geschlechtereindeutigkeit wurde nun zunehmend als Bedrohung für
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die Männlichkeit wahrgenommen. Denn die sich formierende Black-Power-Bewegung setzte in ihren Style Politics zwar auf Performanz von Widerständigkeit, aber propagierte gleichzeitig eine heterosexuelle Hypermaskulinität, die auch mit Disziplin operierte. Das kommende Jahrzehnt stand unter einem aggressiv-homophoben Stern und verdrängte die Black-Gay-Life-Kultur aus der Öffentlichkeit, die Szene musste in den Untergrund abtauchten.
BODY POLITICS OF PROTEST
Es folgt auf dem Fuße die Untersuchung ideologischer Spannungen und Transformationen der Black Panther Party (BPP) durch Styleanalyse. Die politische Performanzstrategie der BPP sollte die Imagination der Beobachter anregen, da sie gezielt Stereotypen aus Zeiten der Minstrel-Shows aufgriff, nach der Afro-Amerikaner gerne und viel lachten (dieses Klischee-Bild war auch noch 1963 aktuell, was Dorestal anhand einer Newsweek-Umfrage aus dem Jahr belegt) – die Panther lachten in diesen Inszenierungen gar nicht mehr, sondern übten und performten gezielt einen bestimmenden
Blick. Kontrollierte Wut und Frustration wurden über ein strategisches Ensemble von Interventionen und Körperpolitiken zum Ausdruck gebracht. Diese “proud body politics of protest“ stellten über Militanz, Einheit, Disziplin und Entschiedenheit eine alternative Konzeption von Schwarzsein zur Schau. Aber Black Power wurde so auch mit den traditionellen Diskursen über Männlichkeit kombiniert. In dieser Neuverortung wurden Urbanität und Straßenkultur mit “afrikanischem Schwarzsein“ zusammengebracht, was der BPP zu steigenden Mitgliederzahlen verhalf.
Als anschauliches Beispiel sei hier auf das Cover-Foto des Buches verwiesen, das Huey P. Newton 1967 in einem afrikanischen Korbsessel auf einem Zebrafell zeigt, mit Lederjacke und Baskenmütze, in der rechten Hand ein Gewehr, in der Linken den Speer, auf dem Boden liegt ein Patronengürtel. Diese Inszenierung von Schwarzsein war eine Zäsur mit dem Bildregime der US-amerikanischen Medien. Dies ist eines der bekanntesten Bilder der BPP, da es gezielt bei Plakat- und Pressekampagnen zum Einsatz kam. Es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit auch das Bild, welches die meisten LeserInnen von der BPP (gesehen) haben. Dorestal zeigt nun auf, dass dieses Bild nur einen Teil der BPP repräsentiert und dass es um angemessenen Style und Authentizität Kämpfe und Debatten innerhalb der Partei gab. Denn die medial spektakulär inszenierten Aktionen fanden fast ausschließlich in Kalifornien statt, weshalb das Bild der Westcoast Panthers ihr mediales Image auch historisch prägte. Laut Dorestal sind die meisten überlieferten Bildquellen von Pirkle Jones, einem “weissen“ Fotografen, der in Kalifornien lebte und die entscheidenden Bilder auch dort fotografierte. Hier verwundert es, dass Dorestal, der Sexismus beständig in seinem Buch kritisiert, nicht erwähnt, dass die Fotos von Pirkle Jones UND seiner Frau Ruth-Marion Baruch gemacht wurden. Sie war es auch, die den Kontakt zur BPP herstellte.
COMMERCIALIZING THE REVOLUTION
An der Ost- und Westküste gab es also uneinheitliche Erscheinungsbilder der BPP. In N.Y. war der Panafrikanismus präsenter, weshalb man dort auch Dashikis (afrikanisch anmutende Hemden) trug und dem Afrika-Ethno-Look zugewandter war. An anderen Orten kollidierte die Inszenierung von Militanz mit Klandestinität vor Polizei oder verfeindeten Gruppen oder auch mit dem praktischen Wert von Kleidung, welche auf die lokale Wettertauglichkeit zugeschnitten werden musste. Insgesamt entwickelte sich jedoch aus den Styles der BPP der Radical Chic, der ein Mode-Trend wurde, den selbst das Vogue Magazin aufgriff. Und möglicherweise zeichnet sich hier schon der Anfang vom Ende der BPP ab. Im Zuge dessen wurde ihr Styling lächerlich gemacht, indem dieser auf ein stilistisches Spektakel reduziert und von den politischen Inhalten abgelöst wurde. Dorestal liefert dafür folgende Erklärung: Die visuelle Inszenierung der BPP funktionierte zu gut. Sie beschwor eine Imagination der radikalen Veränderung, welche auch starke staatliche Repressionen mit sich brachte, die wiederum eine Verwirklichung der politischen Ziele zum Stagnieren brachte. Dies hatte eine Desillusionierung und Schwund der Mitglieder zur Folge. Dorestal zitiert Angela Davis, die schildert, dass sie die Inszenierungspraktik und Ikonografie der BPP problematisch findet, da diese eine Kommodifizierung provoziere und der politische Inhalt abhanden komme, wenn der Style zur oberflächlichen Pose wird und die Inhalte überdeckt statt ergänzt. Dies zeigt die Ambivalenz von Style Politics, die Dorestal mehrfach hervorhebt. Denn Ambiguität macht verschiedene Rezeptionsmöglichkeiten realisierbar, und Rezeption ist immer auch ein Kampf um Deutungshoheit. Diesen Kampf gab es zwar immer auch mit verschiedenen anderen AktivistInnen und Gruppen, aber vor allem mit dem Staat. So widmet der Autor zu Recht der Organisation Us und dem von ihr betriebenen Cultural Nationalism, welcher in einer Art Konkurrenzverhältnis zur BPP und ihrem Revolutionary Nationalism stand, zwar mehrere Kapitel, in denen er auf die vorhandenen Differenzen verweist, aber vor allem
die Gemeinsamkeiten aufzeigt. Bei Us spielte die Auseinandersetzung mit der Geschichte und Kultur Afrikas eine zentrale Rolle. Us war keine Massenorganisation wie die BPP, sondern beteiligte sich gezielt an bestimmten Bündnissen und Aktionen, was in dem Slogan “Unity without Uniformity“ zum Ausdruck kam. Sie beteiligte sich auch an Aktionen der BPP, so an Free-Huey-Rallies (Newton war inzwischen inhaftiert). Das endete, als es 1969 bei einem Treffen der beiden Gruppen und Studenten an der UCLA (!) zu einer Schießerei kam und zwei Panther zu Tode kamen. Dorestal führt dies lediglich auf die sich zuspitzende Rivalität um den lokalen Einfluss der Gruppen zurück und belässt es dabei. Aber ein solch krasser Vorfall ist so nicht zu verstehen, denn auch, wenn die AktivistInnen beständig bewaffnet herumliefen, haben sie sich nicht selbst dezimieren wollen. Bedenkt man jedoch über 700 Verhaftungen, permanente Hausdurchsuchungen sowie etliche Tötungen und Verletzungen durch Polizei und FBI, ist so ein Szenario besser erklärbar. Der Druck stieg beständig, und es ist anzunehmen, dass die Feindschaft gegeneinander Teil und Ergebnis der Repressionsstrategie war. In diesem Fall waren unterschiedliche Meinungen zum Style nicht Grund oder Ursache. Aber die Wirkmächtigkeit von Style zeigt sich auch hier und war vermutlich ein guter Ansatzpunkt für das Säen von Zwietracht durch den FBI. Bevor es endgültig mit der BPP bergab ging, öffnete sie sich für emanzipatorische Entwürfe von Weiblichkeit, die vorher kaum öffentlich repräsentiert wurden. Frauen übten feministische Kritik bezüglich Gay and Woman Liberation, die auch Wirkung zeigte, sodass Frauen auf jeder Führungsebene aktiv werden konnten. 1970 sprach sich die BPP sogar für Gay Rights aus. Das war im Vergleich zu anderen linken Gruppen dieser Zeit ungewöhnlich. Andere Black Power Gruppen waren nach wie vor homophob und sexistisch. Auch darüber versuchte der FBI Konflikte zu erzeugen und den Ruf der BPP zu beschädigen. Innerhalb der BPP gab es weiterhin unterschiedliche Vorstellungen von Kultur, Politik und Style. Veränderte Umstände forderten neue Style Politics. Die gewünschte Uniformität ihrer Style Politics blieb unerreicht.
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RULES & REGULATIONS
Jetzt ist man aber auch schon mittendrin im Hollywoodstreifen, weshalb das traurige Ende der BPP, das sich in so bizarren und lächerlichen Bildern zeigt, wie in dem von – einem inzwischen entpolitisierten – Eldridge Cleaver designten “Man Pants“ (mit farblich hervorgehobener und separater Pimmeltasche), der nun glaubte, der Kampf gegen Rassismus in den USA wäre obsolet. Oder in der traurigen Optik der autokratisch agierenden und bürgerlich-angepasst gestylten Panther Elaine Brown und Bobby Seale, als sie für Ämter in Oakland kandidierten. Von den BPP- Mitgliedern wurde nun verlangt, dass sie sich täglich – am besten mehrmals (!) – duschen, Haare kämmen, Zähne putzen, Ohren reinigen; kein Loch in der Kleidung wurde toleriert und kein unpoliertes Schmuckstück. Daher passt es gut, dass im Anschluss die Style Politics der Nation Of Islam (NOI) behandelt werden. Auch hier wurde fast nichts mehr geduldet außer Gehorsam. Das Styling unterlag in diesem synkretischen Glauben, der die gesellschaftliche und ökonomische Trennung von den “Weißen“ anstrebte, religiös-ideologischen Normierungen. Style war stark mit Bedeutung aufgeladen, da jeder einzelne Körper einen Teil der zukünftigen schwarzen Nation repräsentierte. Auch hier funktionierte Style als wichtiges Erkennungsmerkmal des Black Muslim. Und ebenso gab es die üblen Diskurse von der Krise des “schwarzen Mannes“ und seiner Familie, es herrschte Panik vor Efemminisierung, an Homosexualität war nicht zu denken. Alle trugen obskure Uniformen, in Bezug auf Styling wurden nun islamische Länder der Maßstab, und Respektabilität hieß – vor allem für Frauen! – das Mantra. Die jungen Menschen wurden gedrillt, die Jungs in “Fruit of Islam“ Kursen, die Mädchen im “Muslim Girl Training“. Von Gleichberechtigung keine Spur, der Sexismus wurde mit Frömmigkeit kaschiert. 1968 verbot die NOI auch noch Makeup und jegliche Anzeichen von BlackPower-Styling, weil dies ja Mimikry des “weissen“ Lebensstils sei. Diese Reglementierungen und Disziplinierungen beschreiben Foucaults Technologien des Selbst anschaulich. Alle die anders denken sind weg, alles was Spaß macht ist dekadent, unzivilisiert, unhygienisch und primitiv. Hier wächst nun kein Grashalm des Widerstands mehr, weshalb der triste Acker verlassen werden muss.
SEX, DRUGS, PIMPS & ME AGAINST WE
Das alles ist schaurig und desillusionierend. Obendrein erschütterten Finanzkrisen und politische Skandale das Land. Es war Zeit für etwas Opium. Nicht nur die Afro-Amerikaner waren nun auf der Suche nach Identifikationsfiguren. Alle wollten Cash, auch Hollywood. Und so kamen nun doch noch schwarze HeldInnen via Blaxploitation-Kino auf die Leinwand: Shaft, Super Fly, Sweetback, The Mack, Willie Dynamite, Foxy Brown, Coffy oder Cleopatra Jones. Hollywood kombinierte nun ertragreiche Action-Themen mit der urbanen Unterwelt der Afro-Amerikaner.
Die DarstellerInnen waren selbstbewusst, konnten ihren Widersachern etwas entgegensetzen; dabei waren sie aber funky und witzig. Ihr Erfolg beruhte auf der Umkehrung gesellschaftlicher Machtverhältnisse. Sie brachen obendrein mit Geschlechterrollen und ermöglichten über Irritationen eine queere Lesart. Denn der hypermaskuline Pimp trug Absätze, Pelze, jede Menge Schmuck und Nagellack. Und das Auftauchen homosexueller Figuren antizipierte die kommende Wandlung im gesellschaftlichen Bewusstsein. Dennoch blieben die Filme sexisitisch und im hegemonialen Rahmen der Mehrheitsgesellschaft und damit ambivalent.
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In kürzester Zeit wechselten die Brüder und Schwestern vom Black-Power-Chic zum Gangster-Outfit. Der Pimp-Look wurde zum weit verbreiteten und angesagtesten Style der Afro-Amerikaner und verdrängte die vormals populären, mit Black Power assoziierten Styles. Jetzt stand eine Einzelkämpfer- Lebenskonzeption im Fokus, die “uplifting the race“ oder “community“ als unrealisitische Zeitverschwendung aufzeigte. Laut Dorestal geht es nun um die Verwirklichung hedonistischer Ziele und die Zurückweisung einer emanzipatorischen Utopie. Styling hatte in den Blaxploitation-Filmen häufig fetischistische Züge, Style wurde hier zum Marker für statusrelevante Distinktion soziopolitischer und ideologischer Positionen. Blaxploitation ist für Dorstal daher keine Zäsur in der filmischen Repräsentation von Afro-Amerikanern, sondern eine gesellschaftspolitische: Wenn Black Power AktivistInnen in den Filmen auftauchen, werden sie nicht als positive Figuren dargestellt, sondern sie verkörpern eine bereits antiquierte Vision kollektiver radikaler Veränderung, die als unrealistisch abqualifiziert wird. Aktuelle kritische Themen werden wie gewohnt auf ein Minimum reduziert. Die Blaxploitation Filme sieht Dorestal als Beispiele dafür, wie in der Populärkultur der 70er Jahre Style Politics verhandelt wurden und wie Modetrends entstehen.
WHAT ABOUT THE MUSIC?
Dorestal markiert ein zentrales Problem, wenn er sagt, dass es zu einem reduktionistischen Begriff des Politischen und von Widerstand führt, wenn Styling allein als subversive Praxis konzeptionalisiert wird, ohne diese zu historisieren und im Kontext der sozialen Bewegungen zu denken, die sie inszenieren und auf den Plan rufen. Er hat seine Style Politics zwar innerhalb der politischen Gruppen kontextualisiert, aber wichtige musikalische Szenen und Subkulturen bleiben außen vor. Vermutlich hätte es den Rahmen seiner Arbeit gesprengt, doch es ist zu vermuten, dass die Nachtclub-, Tanz- und Musikkultur einen großen Einfluss auf Styling und auch die politischen Gruppen der Zeit hatte, dass diese sich gegenseitig beeinflussten, nicht nur zu Zeiten der Zoot Suits. So offenbart Dorestal durch seine wenigen Bezugnahmen auf Musik eine Leerstelle seiner Arbeit, wenn er sagt, dass Styling genau dann eine große Wirkmächtigkeit entfaltete, wenn MusikerInnen sich in einer bestimmtem Art und Weise kleideten. Dies lässt aber offen, ob die MusikerInnen Teil des Entstehungsprozesses oder Teil der Kommodifizierung waren, also inwieweit Musik hier überhaupt politisches Potenzial zugesprochen wird.
Dorestal weist selbst darauf hin, dass etwas Visuelles wie Style uns nur durch Medien überliefert werden kann und dass die Medien selber elementare Produktivkräfte der Geschichte sind. Daher wären Tonträger mit ihren Covern und Sleeve-Informationen und natürlich die Musik selber, sowie Konzertberichte und Plattenkritiken eine ebenso interessante Quelle für Style Politics. Auch spricht er von der Notwendigkeit einer Supplementierung, wenn es um Style und Performativität geht – hier wäre Musik ein wichtiges Ergänzungselement. Was das Lesen und Nachvollziehen ebenfalls erschwert, ist die Abwesenheit von Bildmaterial. Sicher hängt dies mit der Schwierigkeit von Bildrechten zusammen, aber vielleicht hätte auch ein Künstler den Conk, Dashiki, die NOI- Uniformen oder den Look der Pachucas illustrieren können?
Aber zurück zur Musik. Immerhin bemerkt Dorestal in seinem Forschungsausblick, dass es wichtig wäre, den Style Politics im US-amerikanischen HipHop der 1980er bis in die 2000er Jahre “nachzuspüren“. Es ist offenkundig, dass im HipHop sowohl Elemente der Cultural Nationalists, des Panafrikanismus, der Black Power Bewegung und der Blaxploitation-Filme aufgenommen wurden. Eine Überleitung zu einer solchen Arbeit würde durch Bezüge auf die Five Percent Nation (heute Nation of Gods and Earths) hergestellt, einem Offshot der NOI, welche bereits Ende der 1960er Jahre gegründet wurde – einer Zeit also, die in Dorestals Forschungszeitraum fällt. Die Five Percenter verstehen sich nicht als Religion, und die Reglementierungen und Vorschriften sind hier weitaus geringer als in der NOI. Viele HipHop MusikerInnen und AktivistInnen waren und sind Teil der Five Percent Nation oder SympathisantInnen. Dorestal meint, dass HipHop- Künstler (er bezieht sich hier auf Nas) die Kommodifizierung von Symbolen und Style der NOI oder BPP vorantrieben. wenn diese ohne Kontext zum Einsatz kämen. Wer sich aber über einen längeren Zeitraum als Teil der HipHop-Kultur begreift, kennt in der Regel auch die Geschichte, die weit über die 60er Jahre hinausgeht – sei es politisch oder musikalisch. Aber vielleicht hat sich das heute auch geändert. Dorestal hebt selbst hervor, dass jede Performativität von Style von der vorangegangenen Weise abweicht und somit Style neu kontextualisiert, sei es durch die TrägerInnen oder die BeobachterInnen. Welche Relevanz hat also Dorestals “Style Politics“ für die Gegenwart?
HERE AND NOW
Man muss feststellen, dass sich seit den BlaxploitationFilmen nicht allzu viel verändert hat: Cash rules. Aber es gibt jetzt Computer und sogar Hacker, die sich durch Style bisher nicht besonders hervorgetan haben (was vielleicht auch kontraproduktiv wäre). Aber halten wir fest: “Style Politics“ fordert dazu auf, den Blick auf Styling zu schärfen, egal
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ob in politischen Gruppierungen, Subkulturen, Szenen oder Modetrends. In welchem Kontext sind bestimmte Styles und Trends entstanden und wie werden sie neu kontextualisiert, wer lädt welches Styling mit politischen Inhalten auf und warum? Ein interessantes Detail ist Dorestals These, dass das militante Styling der BPP aus Filmen über die französische Résistance stammt. Er hebt hier die Interdependenz zwischen popkulturellem und aktivistischem Styling hervor, die sich wechselseitig zitieren und somit nicht getrennt zu betrachten sind. Interessant sind in dieser Hinsicht in Deutschland beispielsweise die politische Rechte sowie Linke, die in ihrem Styling – ähnlich wie die Black Power Bewegung – zwischen sub- und popkulturellen Kodes und Styles und einem Styling der Respektabilität changieren – je nachdem, welche Zielgruppe welche Strategie erfordert.
Interessanter in diesem Zusammenhang ist aber die Frage nach der Kommodifizierung. Denn das Subkultur-Modell verliert zunehmend an Gültigkeit, da kaum noch jemand, einer Klassen- oder Musikkulturzugehörigkeit entsprechend, ein Leben lang in einem Styling verharrt. Früher drückten Subkulturen ihre Gegnerschaft zur etablierten Gesellschaftsordnung und deren Konventionen mittels Stil aus. Aber durch Computer, Netzwelt und die Mechanismen des Kapitalismus sind Widerstandspotenziale heute auch immer Marktpotenziale und werden viel schneller zu adaptierten Modetrends, abgelegten Identitäten und neu kontextualisierten Accessoires eines urbanen Lifestyle. Protest und Aufbegehren werden immer schneller zum Radical Chic. Für Dorestal existiert Style niemals ohne politische Aspekte, ist also immer “Style Politics“. Er spricht von einem Style- Regime, welches die gesellschaftspolitisch-hegemoniale Schaubühne vorstrukturiert. Was laut Dorestal unkritisch, also ohne sozialpolitische Bezüge, zum Einsatz kommt, wird kommodifiziert. Doch auch sozialpolitische Bezüge werden heute immer schneller kommodifiziert und neukontextualisiert. Die Frage nach den Kommodifizierungsprozessen in (diesen) politischen Bewegungen wird aber von Dorestal nicht ausreichend beantwortet, obwohl er mehrfach schreibt, dass dies einer seiner zentralen Punkte sei. Dabei hilft auch der exzessive Gebrauch des Hegemonie-Begriffs nicht weiter. Der Verweis auf die Ambivalenz von Style Politics hat die gleiche Stoßrichtung, wird aber nie richtig ausbuchstabiert. Doch genau hier liegt der Hase wohl begraben: In den verzwickten Zusammenhängen und Wechselwirkungen von Style Politics im globalen Kapitalismus. Unbeantwortet bleibt auch die historische Bedeutung des Begriffs der Nation bzw. des Nationalismus im Kontext der Style Politics der analysierten Gruppen. Und was bedeutet Nation oder Nationalismus im Zeitalter der Migration und Globalisierung? Aber welches Buch kann schon alle Fragen beantworten? Dieses ist allemal lesenswert wegen der vielen Hintergrundinformationen und Details über eine bewegte Zeit, zu der man sich auch eine begleitende Playlist gewünscht hätte. Was bleibt, ist die historische Wirkmächtigkeit von Style und die Feststellung, die Dorestal selbst im letzten Satz kurz und prägnant formuliert: “Style politics… do matter“!